Genossenschaft und Beteiligungsertrag
Im Urteil 2C_812/2018 vom 20. August 2019 geht es um ein Ehepaar, welches als selbständig-erwerbende Landwirte tätig ist. Sie sind einer von sieben Genossenschaftern der Milchgenossenschaft U. Die Genossenschaft verfügt weder über ein Grundkapital noch Anteilsscheine.
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Am 24. Dezember 2015 wurde eine von der Milchgenossenschaft U. vorgenommene Auszahlung in Form einer Dividende in Höhe von CHF 20’000 an das Ehepaar ausbezahlt. In der Folge setzte die Steuerkommission beim Ehepaar mit Veranlagungsverfügung für die Steuerperiode 2015 ein steuerbares Einkommen von CHF 71'400 fest und besteuerte die Auszahlung von CHF 20'000 als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Daraufhin beantragte das Ehepaar, dass diese Auszahlung der Milchgenossenschaft U. in Höhe von CHF 20'000 als Beteiligungsertrag zu 40% des Tarifs zu besteuern sei. Die Steuerkommission blieb der Meinung, die Auszahlung von CHF 20'000 sei als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu besteuern und wies deshalb den Antrag des Ehepaars mittels Einspracheentscheid vom 3. Juli 2017 ab.
Das Spezialverwaltungsgericht des Kantons A. wiederum hiess den von den Beschwerdeführern eingelegten Rekurs gegen den Einspracheentscheid der Steuerkommission vom 3. Juli 2017 gut und setzte das steuerbare Einkommen auf CHF 71'400, davon CHF 20'000 als qualifizierten Beteiligungsertrag, fest. Die dagegen erhobene Beschwerde des Kantonalen Steueramts A. beim Verwaltungsgericht des Kanton A., wurde gutgeheissen und hob damit das Urteil des Spezialverwaltungsgerichts des Kantons A. auf. Schliesslich gelangte das Ehepaar mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter Beantragung der Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kanton A. an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht hatte somit zu prüfen, ob vom steuerbaren Einkommen von 71'400 CHF die Auszahlung von 20'000 Franken als Beteiligungsertrag festgesetzt werden kann. Des Weiteren war zu klären, ob Ausschüttungen einer Genossenschaft nach OR 828 ff. ohne Grundkapital und Anteilsscheine als Beteiligungsertrag qualifiziert werden können und diese bei gegebenen Voraussetzungen einer privilegierten Besteuerung unterliegen.
Die Privilegierung von Beteiligungserträgen zur Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung
Die Beschwerdeführer rügten die Auffassung der Vorinstanz, dass es sich bei der Ausschüttung nicht um einen qualifizierten Beteiligungsertrag im Sinne von § 45a des Steuergesetzes des Kantons A. gehandelt habe, womit eine zu Unrecht privilegierte Besteuerung verweigert wurde, obwohl eine wirtschaftliche Doppelbelastung vorgelegen hätte.
Der Grundsatz der Privilegierung von Beteiligungserträgen befindet sich im Steuerharmonisierungsgesetz. Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG hält verbindlich fest, dass die Kantone die wirtschaftliche Doppelbelastung von Körperschaften und Anteilhabern bei Dividenden, Gewinnanteilen, Liquidationsausschüssen und geldwerten Vorteilen aus Beteiligung aller Art, welche mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eruieren, mildern können. Man spricht bei diesem Vorgang von einem sogenannten Teilbesteuerungsverfahren. Die Kantone verfügen über einen Gestaltungsspielraum bezüglich wie weit und in welcher Form sie die Teilbesteuerung vornehmen. So kann die Besteuerung durch die Kantone entweder nach dem Teileinkünfteverfahren oder dem Teilsatzverfahren erfolgen. Beim Teileinkünfteverfahren wird nur ein bestimmter Teil des Einkommens besteuert. Beim Teilsatzverfahren unterliegt das besteuerte Einkommen einem reduzierten Steuersatz.
Das Steuerharmonisierungsgesetz legt fest, wem gegebenenfalls eine Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zusteht (Subjekt der Teilbesteuerung) und befasst sich mit der Frage, ob Ausschüttungen einer Genossenschaft ohne Grundkapital und Anteilsscheine als Beteiligungsertrag zu qualifizieren sind [Objekt der Teilbesteuerung (vgl. auch Urteil 2C_429/2014 vom 6. November 2015 E. 2.6.1.)]. Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG gibt demnach für § 45a des Steuergesetzes des Kantons A. vor, bei welchen Ausschüttungen eine wirtschaftliche Doppelbelastung gemildert werden kann.
Der vorliegende Fall erfordert eine Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StGH, welche nach dem Wortlaut vorzunehmen ist. Der Einfachheit halber in Kürze:
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 StHG unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der Einkommenssteuer. Die Norm spricht von «Beteiligungen aller Art», was eine eher schwammige Bezeichnung darstellt. Fraglich ist entsprechend, ob eine Mitgliedschaft an einer Genossenschaft ohne Grundkapital und ohne Anteilsscheine unter den Begriff der «Beteiligung aller Art» fällt. Ausnahmen von der objektiven Steuerpflicht für Erträge aus Beteiligungen enthält Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG keine. Die Kantone sind aber befugt, solche Einkünfte milder zu besteuern. Im Sinne der vertikalen Steuerharmonisierung ist für die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG zusätzlich der Art. 18b Abs. 1 DBG des Bundessteuerrechts heranzuziehen. Diese Bestimmung spricht im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG explizit von Genossenschaftsanteilen und nicht bloss von Beteiligungen aller Art.
Grundsätzlich handelt es sich bei einer Genossenschaft ohne Grundkapital um eine juristische Person nach Art. 838 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 52 Abs. 1 OR, welche grundsätzlich der Gewinnsteuer unterliegt. Die Genossenschaft ist nach OR 859 befugt, eine Verteilung ihrer Reinerträge statutarisch zu disponieren. Eine statutarisch vorgesehene Verteilung des Reinertrags nach Benützung der Einrichtung durch ihre Mitglieder gemäss Art. 859 OR erfolgt gleichwohl, ob die Genossenschaft Grundkapital aufweist oder nicht. Die Verteilung des Reinertrags wird bei den Genossenschaftern als Einkommen erfasst und mit der Einkommenssteuer besteuert. Die Ausschüttungen des gewinnbesteuerten Ertrags aus einer Beteiligung einer Genossenschaft ohne Grundkapital wird bei den Genossenschaftern entsprechend abermals besteuert. Somit ist eine Genossenschaft ohne Grundkapital einer wirtschaftlichen Doppelbelastung ausgesetzt. Damit die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zur Anwendung kommt, muss die natürliche Person bei der Ausschüttung an der juristischen Person aber finanziell beteiligt sein. Auch auf Bundesebene in Art. 18b Abs. 1 DBG und Art. 20 Abs. 1bis DBG wird die Existenz von Genossenschaftsanteilen vorausgesetzt. Fehlt es letztlich an genossenschaftlichem Grundkapital, können entsprechend auch keine Anteilsscheine vorhanden sein.
Fazit
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG stellt eine Ausschüttung aus einer Genossenschaft ohne Grundkapital und Anteilsscheinen demnach keinen Beteiligungsertrag dar. Damit eine Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung vorgenommen werden kann, braucht es einen Ertrag aus beweglichem Vermögen, sprich ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung von Kapital durch eine natürliche Person. Da vom Steuerharmonisierungsgesetz das Objekt der Teilbesteuerung verbindlich festgelegt wird und diesbezüglich kein Gestaltungsspielraum für die einzelnen Kantone besteht, hat die Vorinstanz vorliegend rechtmässig entschieden, dass die wirtschaftliche Doppelbelastung einer Genossenschaft ohne Grundkapital und Anteilsscheine gestützt auf § 45a StG/A nicht gemildert werden darf. Die Besteuerung der Auszahlung von CHF 20'000 unterliegt der ordentlichen Einkommenssteuer und hat nach dem Teilsatzverfahren von § 45a StG/A nicht privilegiert zu erfolgen.