Privater Kunstsammler oder gewerbsmässiger Kunsthändler?
Beim Kauf und Verkauf von Kunstgegenständen stellt sich aus steuerrechtlicher Sicht insbesondere die Frage, ob die Tätigkeit des Handels mit Kunstgegenständen als gewerbsmässiger Kunsthandel oder als blosse private Vermögensverwaltung gilt. Denn wird die Tätigkeit als gewerbsmässiger Handel qualifiziert, unterliegt der Kapitalgewinn aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung des Geschäftsvermögens den Einkommenssteuern und den Sozialversicherungsabgaben. Bei einer privaten Vermögensverwaltung bleibt der Gewinn hingegen steuerfrei. Für die Besteuerung von Kapitalgewinn steht somit die Abgrenzung zwischen selbstständiger (= gewerbsmässig) und unselbständiger (= private Vermögensverwaltung) Erwerbstätigkeit im Vordergrund. Für die Abgrenzung zwischen unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit hat das Bundesgericht in den vergangenen Jahren zahlreiche Indizien entwickelt. Diese Indizien zeigen und erläutern wir nachfolgend anhand eines aktuellen Bundesgerichtsentscheids (9C_606/2022 vom 6. Juni 2023) im Bereich des Kunsthandels.
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Die Ausgangslage im aktuellen Bundesgerichtsentscheid
Prof. Dr. A. ist Kunsthistoriker und Experte für die italienische Kunst des Spätmittelalters und der Renaissance. Als Nebenerwerb war er regelmässig als selbstständiger Experte und Gutachter tätig. Er hat im Laufe der Zeit eine beachtliche Anzahl von Kunstwerken angesammelt. Insgesamt erwarb er zwischen 1982 und 2016 rund 80 Kunstwerke (bis Ende 2014: 61 Kunstwerke). Im Jahr 2009 verkaufte er neun Werke im Gesamterlös von EUR 479'500. Dieser blieb unbesteuert. Im Jahr 2014 erfolgte die zweite Veräusserung, indem er «en bloc» 33 weitere Kunstwerke für USD 1 Million verkaufte, wobei er 21 Werke im Jahr 2009 oder später erworben hat, 14 Kunstwerke sogar im Verkaufsjahr 2014 selbst.
Das kantonale Steueramt Zürich stufte den Vorgang im Jahre 2014 im Veranlagungsverfahren als steuerbaren gewerbsmässigen Kunsthandel ein, was zu einer Erhöhung des steuerbaren Einkommens von Prof. Dr. A. um CHF 710'500 führte.
Die Indizien zur Abgrenzung gemäss Bundesgericht im Allgemeinen
Gemäss Bundesgericht ist für eine selbstständige Erwerbstätigkeit die Tätigkeit einer natürlichen Person kennzeichnend, mit der diese Person auf eigenes Risiko, unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, in einer von ihr freigewählten Arbeitsorganisation, dauernd oder vorübergehend, haupt- oder nebenberuflich, in jedem Fall aber mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Ob eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Die Indizien können zusammen mit andern, unter Umständen jedoch auch allein zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit führen. Als Indizien gelten gemäss Bundesgericht:
- Enger Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der steuerpflichtigen Person
- Spezielle Fachkenntnisse
- Häufigkeit der Transaktionen
- Kurze Besitzdauer
- Systematische oder planmässige Art und Weise des Vorgehens
- Verwendung der erzielten Gewinne bzw. deren Wiederanlage in gleichartige Vermögensgegenstände
- Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte
Anwendung der Indizien zur Abgrenzung im konkreten Fall
Das Bundesgericht hat im Urteil vom 6. Juni 2023 die selbstständige Erwerbstätigkeit und damit gewerbsmässiges Handeln von Prof Dr. A. aufgrund folgender Indizien bejaht:
- Die besonderen Fachkenntnisse von Prof. Dr. A. als Kunsthistoriker und Experte der italienischen Kunst.
- Der Verkauf von 33 Werke «en bloc» im Jahr 2014, wobei Prof. Dr. A. 21 Werke im Jahr 2009 oder später erworben hat. Im Jahr 2014 wurden selbst 14 Kunstwerke angeschafft. Damit erfüllte Prof. Dr. A. gleich zwei Indizien, die für seine selbstständige Erwerbstätigkeit sprechen. Nämlich einerseits tätigte Prof. Dr. A. zahlreiche Transaktionen innert kurzer Zeit (Kauf von 21 Werken im Zeitraum von 2009 bis 2014) und andererseits besass er die Kunstwerke vergleichsweise für eine kurze Dauer, 14 Kunstwerke sogar weniger als 1 Jahr (kurze Besitzdauer).
- Dem Verkauf standen zeitnahe Wiedereinkäufe gegenüber, indem Prof. Dr. A. nach Teilverkauf im Jahr 2009 in neue 21 Werke reinvestierte. Er verwendete damit gezielte Gewinne in die Wiederanlage in gleiche bzw. gleichartige Vermögensgegenstände.
Fazit
Die besonderen Fachkenntnisse von Prof. Dr. A., den gezielten Aufbau der Sammlung – nach der Teilveräusserung im Jahr 2009 –, die Reinvestition der Gewinne in neue Kunstwerke sowie schliesslich die erhebliche Anzahl Transaktionen innert kurzer Zeit führten dazu, dass das Bundesgericht eine systematische und planmässige Art und Weise des Vorgehens bejahte und damit die einkommenssteuerliche Aufrechnung des kantonalen Steueramts Zürich stützte.
Kommentar
Für die Beurteilung, ob eine gewerbsmässige Tätigkeit vorliegt, müssen die einzelnen vom Bundesgericht entwickelten Indizien in einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden. Je mehr Indizien bejaht werden können, desto wahrscheinlicher wird die Steuerbehörde eine selbständige Erwerbstätigkeit bejahen und den Kapitalgewinn entsprechend besteuern. Die Umqualifikation eines privaten steuerfreien Verkaufs in einen steuerbaren Gewinn aus gewerbsmässigem Handel hat unmittelbare Folgen bei den Sozialversicherungsabgaben und kann zu mehrwertsteuerlichen Nachforderungen führen, was erhebliche Zusatzlasten bedeuten kann.
Da die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung zwischen privater Verwaltung und Gewerbsmässigkeit den Behörden einen erheblichen Ermessensspielraum lassen, empfehlen wir generell, Kunstverkäufe von erheblichem Transaktionswert in enger Vorabsprache mit den Steuerbehörden umzusetzen, um unerwartete Überraschungen, wie dies im vorliegenden Fall geschah, zu vermeiden.