Was ist ein Steuerruling?

Fast jede wirtschaftliche Entscheidung einer Privatperson oder einer Unternehmung hat steuerliche Auswirkungen. Das Steuerrecht verzichtet aber darauf, eine Regelung für einzelne Sachverhalte festzulegen. Das Steuerrecht ist offen und flexibel ausgestaltet, damit es für möglichst viele wirtschaftliche Vorgänge anwendbar ist.

Daraus ergibt sich, dass oftmals im Zeitpunkt der Entscheidung die genaue Anwendung des Steuerrechts fraglich bleibt und man bis zur Stellungsnahme/Veranlagung der Steuerbehörden über die genauen steuerlichen Auswirkungen eines Entscheides im Unklaren bleibt. So stelle man sich eine große Umstrukturierung, umfangreiche Liegenschaftsverkäufe oder weitreichende Erbschaftsangelegenheiten vor, deren steuerlichen Auswirkungen bis zur behördlichen Veranlagung, die Jahre später getroffen wird, ungewiss bleiben. Dies schafft Unsicherheit und Ängste und führt oftmals zur Blockade bei wichtigen Entscheidungen bei Unternehmen und Privatpersonen. Zur Verhinderung dieser Blockade kennt das schweizerische Steuerrecht das Instrument des Steuerrulings, welches für die betroffenen Personen und Unternehmen im Moment der Entscheidung Rechtssicherheit bei Steuerfragen bedeutet.

Definition Steuerruling

Das Steuerruling wird auch Vorbescheid genannt und hat seinen Ursprung in der kantonalen Praxis der Steuerbehörden. Es dient, als vorgängig (das heisst vor der Realisation/Umsetzung eines Entscheides) eingeholte und verbindliche Steuerauskunft der Steuerbehörden, der Rechtssicherheit bei wichtigen Entscheiden des oder der Steuerpflichtigen. Die Grundlage dieser Auskunft bildet ein – oftmals komplexer und schwer zu erfassender – Sachverhalt. Im Rahmen des Rulingprozesses mit den Steuerbehörden ist der Sachverhalt umfassend und konkret darzulegen und steuerlich zu analysieren, mit dem Ziel, in Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Entscheidung, vorgängig in steuerlichen Fragen Klarheit zu schaffen. Als zusätzlicher «Nebeneffekt» ergibt sich aus diesem Prozess gleichzeitig eine konstruktive und für beide Seiten wertvolle Vertrauensbasis für die weitere Klärung von offenen Fragen betreffend Steuern.

Formelle und materielle Anforderungen

Regelungsgegenstand eines Rulings kann ausschliesslich das sein, was sich auch ohne Ruling im Bereich des Legalen befindet. Steuerbehörden, als auch Steuerpflichtige sind an Gesetze, Verordnungen usw. gebunden. Inhalt ist stets das, was später in Veranlagungen und Steuererklärungen für eine steuerpflichtige Person festgelegt wird. Formell ist das Ruling – vor allem aufgrund der Beweistauglichkeit – stets schriftlich an die zuständige Behörde oder Abteilung der kantonalen oder eidgenössischen Steuerämter zu richten.

Unabdingbar in materieller Hinsicht ist die Nennung der betreffenden steuerpflichtigen Person zwecks Identifikation sowie eine ausgereifte und detaillierte Darlegung des maßgebenden Sachverhalts und der rechtlichen Einordnung. Nur auf diese Weise vermag ein solcher Vorbescheid Bindung zu erlangen.

Damit die Kommunikation mit den Steuerbehörden auf einer fachlich professionellen Ebene stattfinden kann, wird der Beizug einer Steuerberaterin/eines Steuerberaters empfohlen. Die Professionalität der beratenden Personen im Umgang mit den Steuerbehörden hat unter Umständen Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten eines Anliegens, denn Fachpersonen verfügen über die notwendigen Kenntnisse zur sachgerechten Ausgestaltung des Rulings sowie die entsprechenden Fähigkeiten auf Kommunikationsebene mit den Behörden. Aus der alleinigen Korrespondenz mit den Behörden resultiert, im Gegensatz zum Beizug der Steuerberatung, für die betreffende Person hingegen kein Kostenaufwand.

Verbindlichkeit

Die Verbindlichkeit von Rulings beurteilt sich grundsätzlich nach der Richtigkeit der von den Steuerbehörden und der ersuchenden Partei gemachten Ausführungen. Das Verhältnis zwischen den Akteuren des Vorbescheids ist vom Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) geprägt. Wird der Sachverhalt so umgesetzt wie dies im Ruling beschrieben wurde, so kann der/die Steuerpflichtige die schriftliche Auskunft der Steuerbehörde als verbindlich einstufen. Ist das Gegenteil der Fall, gilt die steuerpflichtige Person als bösgläubig – ein solches Verhalten wird im Rechtsverkehr nicht geschützt und die Steuerbehörde darf eine vom Vorbescheid abweichende steuerliche Veranlagung vornehmen.

Gesetzt den Fall, die Steuerbehörde selbst erteilt eine unrichtige Auskunft im Rahmen des Rulings, so wird die Verbindlichkeit dieser Zusicherung ebenfalls anhand von Art. 5 Abs. 3 BV, dem Vertrauensschutz, beurteilt. Gebunden ist die Steuerbehörde bei einer vorbehaltlosen Zusicherung der zuständigen Behörde auf einen konkreten Sachverhalt, sofern der Empfänger/die Empfängerin der Zusicherung die Mangelhaftigkeit derselben nicht zu erkennen vermochte und bereits Dispositionen getroffen hat, die nicht mehr oder lediglich mit Nachteil wieder rückgängig gemacht werden können. Dabei findet am Ende eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Vertrauensschutzes und der Gesetzmässigkeit des Vorganges statt.

Wichtig bei dieser Betrachtung ist allerdings, dass die Gültigkeit von Rulings nicht über eine Änderung der Rechtslage hinwegdauern kann. Ändert sich die Rechtslage, so kann ein widerrechtlicher Vorbescheid kein Bestandesschutz mehr genießen.

Tendenz

Rulings gehören seit langer Zeit zum festen Bestandteil der hiesigen Steuerplanung. Diese Tradition wird auch in Zukunft fortgeführt. Im Gegensatz zu Staaten ohne Austauschmöglichkeiten mit den Behörden profitieren wir durch diese Praxis von einem durch Vertrauen geprägten Verhältnis zu den Steuerbehörden. Die immer wieder formulierte Kritik an dieser Verwaltungspraxis ist falsch und unverständlich, bildet «das Ruling» doch ein wichtiges und wertvolles Instrument bei der rechtsstaatlichen Umsetzung des Steuerrechts.

Offen bleibt, ob die Rulingpraxis auch in andere Rechtsbereiche hineinzufliessen vermag. Durch die zunehmende Komplexität unserer Rechtsanwendung und der betroffenen Lebensbereiche ist es nicht ausgeschlossen, dass auch in anderen Gebieten (z.B. Sozialversicherungen) die vorgängige Einholung von Behördenentscheiden zunimmt.

Fazit

Das Steuerruling als (fast) Unikum der Schweiz im internationalen Umfeld und damit als Wettbewerbsvorteil geniesst hierzulande eine erhebliche Bedeutung. Es erleichtert den Meinungsaustausch mit den Behörden und ermöglicht sachgerechte Lösungen für alle beteiligten Akteure. Vorsicht ist dennoch bei den Anforderungen an die Ausgestaltung des Rulings sowie dem Merkmal der Rechtssicherheit geboten. Werden die erläuterten Voraussetzungen nicht explizit eingehalten, so droht eine abweichende Beurteilung. In Stein gemeisselt ist die Rulingpraxis der Behörden aber nicht – stets wachsam sollte die Handhabung durch die Behörden verfolgt werden. Im Klaren muss sich der Antragsteller/die Antragstellerin des Weitern über mögliche zwischenstaatliche Austauschtendenzen im Zusammenhang mit schriftlichen Steuerauskünften sein. Mit dem spontanen Informationsaustausch, eingeführt im Rahmen des Aktionspunktes 5 des BEPS-Projektes, werden Steuerinformationen zunehmend grenzübergreifend bekannt gemacht. Interessant könnte künftig die Ausdehnung der Rulingpraxis mit Blick auf andere Rechtsbereiche werden.