Besteuerung einer Bonuszahlung

In der Schweiz ist Einkommen nur steuerbar, wenn es realisiert ist. Doch was bedeutet das genau? In unserem Beitrag zeigen wir Ihnen die Kriterien für die Realisierung von Einkommen anhand eines aktuellen Bundesgerichtsentscheids (BGer 9C_663/2022, 9C_664/2022 vom 16.08.2023) im Zusammenhang mit Bonuszahlungen.

Ausgangslage im Bundesgerichtsurteil vom 16. August 2023

Per 25. Februar 2019 meldete sich der bis dahin im Kanton Baselland wohnhafte A. bei seiner Gemeinde ab und zog in die USA, wobei er bis zum Zeitpunkt seines Wohnsitzwechsels bei der B. AG im Kanton Zürich arbeitstätig war. Bis zum Wegzugsdatum wurde A. im Kanton Baselland ordentlich veranlagt (d.h. aufgrund eingereichter Steuererklärung).

Vor seinem Wegzug am 12. Februar 2019 hatte A. von der B. AG ein sog. «Compensation Statement» erhalten, worin ihm mitgeteilt wurde, dass er zusätzlich zu seinem Jahresgehalt einen «diskretionären, variablen Incentive Award für 2018» von CHF 22'000 erhalten werde. Zusätzlich zum «Compensation Statement» erhielt A. einen Text, gemäss welchem der Arbeitgeber ihm mitteilte, dass diese Bonuszahlung ermessensabhängig, variabel und freiwillig sei. Er habe auf die Bonuszahlung keinen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch. Sie erfolge ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und begründe in keiner Weise einen Anspruch auf Erhalt des diskretionären, variablen Incentive Awards. Der entsprechende Award wurde vom Arbeitgeber am 25. März 2019 (nach Abzug der Quellensteuer im Kanton Zürich) ausgerichtet.

A. stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass der Incentive Award bereits mit der Zustellung des «Compensation Statements» und somit vor Wegzug in die USA zugeflossen sei und demzufolge im ordentlichen Veranlagungsverfahren (mit Stichtag bis 25. Februar 2019) zu erfassen sei. In den Veranlagungen für die Staats-und Gemeindesteuern sowie für die direkte Bundessteuer pro 2019 wurde der Betrag von CHF 18'199.03 (Bonus abzüglich Sozialversicherungsbeiträge und vor Abzug der Quellensteuer) jedoch nicht berücksichtigt.

Die von A. erhobenen kantonalen Rechtsmittel gegen den Entscheid des Steueramts Baselland mit dem Antrag auf Berücksichtigung der Bonuszahlung sowie Rückerstattung der Quellensteuer (vereinnahmt durch den Kanton Zürich), blieben erfolglos. A. ergriff daraufhin das Rechtsmittel ans Bundesgericht.

Das Bundesgericht hat sich in der Folge mit der Frage zu beschäftigen, wann – vor oder nach dem Wegzug in die USA – der Bonus realisiert wurde. Während die Vorinstanz zum Ergebnis gelangte, dass das Einkommen aus dem Bonus erst mit dessen Auszahlung am 25. März 2019 realisiert worden sei, vertrat A. die Ansicht, der Incentive Award sei bereits mit dem Erhalt des «Compensation Statements» am 12. Februar 2019 und somit vor dem Wegzug in die USA realisiert worden, womit der Bonus im ordentlichen Veranlagungsverfahren zu besteuern wäre.

Erwägungen des Bundesgerichts

Nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis gilt Einkommen steuerrechtlich als realisiert, sobald die steuerpflichtige Person Leistungen vereinnahmt oder zumindest einen festen Anspruch darauf erwirbt, über den sie tatsächlich verfügen kann (Soll-Methode). Damit ein fester Anspruch bejaht wird, braucht es einen abgeschlossenen Erwerbsvorgang (obligatorisches oder dingliches Recht). Eine Abweichung von der «Soll-Methode» ist in der Praxis nur vorgesehen, sofern die Realisierung der Forderung unsicher ist. In diesem Fall wird auf die Besteuerung bis Erfüllung zugewartet («Ist-Methode»). Diese Grundsätze gelten auch bei unselbständiger Erwerbstätigkeit. Die Lohnforderung entsteht fortlaufend mit Erbringung der Arbeitsleistung, sie wird aber regelmässig erst am Ende jedes Monats fällig.

Obschon die Gewährung der Bonuszahlung von CHF 22'000 im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Mitteilung am 12. Februar 2019 sehr wahrscheinlich war, liess sich gemäss Bundesgericht daraus keine erkennbare Bereitschaft des Arbeitgebers zur unwiderruflichen Verpflichtung ableiten. Das Bundesgericht wertete den Zusatz im «Compensation Statement» «freiwillig/ keinen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch» dahingehend, dass eben noch kein fester Anspruch mit der Mitteilung im Februar 2019 bestand. Die Argumentation der Vorinstanz schützend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der steuerliche Realisationszeitpunkt der Bonuszahlung erst am 25. März 2019 war, d.h. an jenem Tag, an dem die Entschädigung tatsächlich erfüllt wurde und somit die Steuer korrekterweise im Quellensteuerverfahren erhoben wurde.

Besteuerungsrecht im internationalen Kontext

Vorliegend unbestritten war, dass die Schweiz und nicht die USA den Bonus besteuern konnte.

Die von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen haben mit wenigen Ausnahmen den Art. 15 des OECD-Musterabkommens betreffend die Besteuerung von Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit übernommen. Dieser besagt, dass bei örtlichem und zeitlichem Zusammenfallen von Arbeitsort und Ansässigkeit das Besteuerungsrecht diesem sog. Tätigkeitsstaat zukommt. Dies war vorliegend unbestritten die Schweiz.

Für die Frage, welcher Staat das Besteuerungsrecht beanspruchen darf, ist hier nicht der Zeitpunkt der Realisation der Zahlung bzw. des Rechterwerbs massgebend, sondern in welchem Staat die der Zahlung zugrundeliegende Arbeit ausgeübt wurde.

Fazit

Das Bundesgericht bestätigt in seiner aktuellen Entscheidung die strengen Voraussetzungen für das Vorliegen eines «festen Anspruchs» im Steuerrecht. Aus zivilrechtlicher Betrachtung wäre bei dieser Ausgangslage und trotz Freiwilligkeitsvorbehalt nämlich ein durchsetzbarer Anspruch durchaus nicht auszuschliessen. Das Urteil bekräftigt ausserdem aufs Neue, dass das Bundesgericht in der Praxis dazu tendiert, im Zweifel den Zeitpunkt der tatsächlichen Erfüllung (Ist-Methode) als «Realisationszeitpunkt des Einkommens» festzulegen, obwohl nach eigener Darstellung theoretisch die Anspruchsentstehung (Soll-Methode) Vorrang haben sollte. Vorliegend hatte dies insb. Einfluss auf die Art der Steuererhebung und damit indirekt auf den anwendbaren Tarif bzw. Steuersatz.