Verdecktes Eigenkapital in der Schweiz: Steuerliche Risiken und neue Regelungen

Aktionärsdarlehen sind in der Schweiz eine attraktive Alternative zur Eigenkapitalzufuhr – doch Vorsicht ist geboten: Überschreitet das Fremdkapital die steuerlich zulässigen Höchstwerte, drohen steuerliche Konsequenzen. Unser Beitrag erklärt die Berechnung des verdeckten Eigenkapitals anhand eines Praxisbeispiels, beleuchtet die steuerlichen Auswirkungen und zeigt die wichtigsten Änderungen des neuen Kreisschreibens Nr. 6a der Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV auf.

Kapitalgesellschaften werden in der Schweiz als selbständige Steuersubjekte getrennt von ihren Anteilsinhabern besteuert. Dies führt zwangsläufig zu einer steuerlichen bzw. wirtschaftlichen Doppelbelastung, da die Erträge, welche mit dem Kapital der Gesellschaft erwirtschaftet werden, einerseits auf Gesellschaftsebene als Gewinn und bei Ausschüttung mittels Dividende an die Gesellschafter als Einkommen besteuert werden. Zudem unterliegt die Dividendenausschüttung der Verrechnungssteuer von 35%.

Warum Aktionärsdarlehen attraktiv sind

Aktionärsdarlehen stellen demgegenüber eine attraktive Möglichkeit dar, einer Gesellschaft schnell und formlos Kapital bereitzustellen. Im Gegensatz zur Eigenkapitalzufuhr entfällt bei Aktionärsdarlehen grundsätzlich die Emissionsabgabe, und die Gesellschaft kann die Darlehenszinsen gewinnmindernd erfolgswirksam absetzen. Darlehenszinsen unterliegen zudem grundsätzlich auch keiner Verrechnungssteuer. Dadurch wird die wirtschaftliche Doppelbelastung vermieden, die bei Eigenkapitalzufuhr entsteht.

Wann ein Aktionärsdarlehen steuerliche Risiken birgt

Angesichts der diversen Vorteile von Aktionärsdarlehen gegenüber Eigenkapital hat der Gesetzgeber mit Art. 65 DBG bzw. Art. 24 StHG bereits vor geraumer Zeit Vorschriften zur Begrenzung des zulässigen Fremdkapitals durch Aktionäre von schweizerischen Kapitalgesellschaften erlassen (sog. verdecktes Eigenkapital). Das Konzept des verdeckten Eigenkapitals dient vor allem der Sicherstellung der wirtschaftlichen Doppelbelastung und der Verhinderung eines steuerlich motivierten Missbrauchs der zivilrechtlichen Finanzierungsfreiheit.

Unser Beitrag erläutert die Methodik zur Ermittlung des verdeckten Eigenkapitals in der Schweiz anhand eines vereinfachten praktischen Beispiels, zeigt die steuerlichen Konsequenzen bei Missachtung der Regeln zum verdeckten Eigenkapital auf und behandelt abschliessend die Neuerungen, welche sich aufgrund des kürzlich erlassenen Kreisschreibens Nr. 6a der eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ergeben.

Praxisbeispiel: So berechnen Sie verdecktes Eigenkapital korrekt

Um die Ermittlung des verdeckten Eigenkapitals zu erläutern, bedienen wir uns dem nachfolgenden vereinfachten Beispiel der X AG mit Sitz in der Schweiz. Aktionär der X AG ist eine in der Schweiz steuerpflichtige natürliche Person, welche die Beteiligungsrechte an der X AG im Privatvermögen hält. Die Bilanz der X AG zeigt sich dabei wie folgt:

Praxisbeispiel zur Berechnung von verdecktem Eigenkapital © Bucher Tax

Das Bankdarlehen sowie das Darlehen des Aktionärs werden vorliegend beide zu 2% verzinst.

Ermittlung des verdeckten Eigenkapitals

Um die Höhe des verdeckten Eigenkapitals zu ermitteln, muss zuerst geprüft werden, ob Fremdkapital von Anteilsinhabern oder nahestehenden Personen stammt. Denn nur Fremdkapital von Anteilsinhabern bzw. den Anteilsinhabern nahestehenden Personen kann verdecktes Eigenkapital darstellen. Zu berücksichtigen sind dabei auch Darlehen von unabhängigen Dritten, für welche eine Sicherstellung durch die Anteilsinhaber bzw. diesen nahestehende Personen bestehen. Das Fremdkapital der X AG besteht vorliegend zu CHF 650'000 aus einem Darlehen des Aktionärs.

Stammt ein Teil des Fremdkapitals direkt oder indirekt von Anteilsinhabern oder diesen nahestehenden Personen, so darf das gesamte Fremdkapital den Betrag der zulässigen Höchstwerte pro Aktivenklasse gemäss KS-ESTV Nr. 6a nicht überschreiten. Werden die Höchstwerte überschritten, liegt verdecktes Eigenkapital vor.

Das maximal zulässige Fremdkapital der X AG gemäss KS ESTV Nr. 6a auf flüssige Mittel beträgt CHF 80'000 (100% von CHF 80'000), auf Forderungen aus L&L CHF 102'000 (85% von CHF 120'000) und auf den mobilen Sachanlagen CHF 400'000 (50% von CHF 800'000). Das maximal zulässige Fremdkapital der X AG beträgt somit CHF 582'000.

Da sich das Fremdkapital von unabhängigen Dritten bereits auf CHF 200'000 beläuft, darf das Aktionärsdarlehen maximal CHF 382'000 betragen. Der darüberhinausgehende Betrag von CHF 268'000 wird mithin als verdecktes Eigenkapital qualifiziert.

Vorbehalten bleibt der Nachweis, dass die Finanzierung einem Drittvergleich standhält und im konkreten Einzelfall keine Unterkapitalisierung vorliegt. Zu beachten ist zudem, dass die Gesellschaft den Beweis erbringen kann, dass der Verkehrswert der einzelnen Aktiven höher ist als buchhalterisch ausgewiesen, womit sich ein höheres Belehnungspotential ergeben kann. Dies kommt regelmässig bei Liegenschaften zum Tragen, welche häufig zu tief in der Buchhaltung angeführt sind.

Steuerliche Konsequenzen: Kapital-, Gewinn- und Einkommenssteuer im Blick

Kapitalsteuern

Das verdeckte Eigenkapital wird aus Steuersicht wie Eigenkapital betrachtet und ist daher bei der Kapitalsteuer aufzurechnen. Vorliegend werden die Faktoren für die Bestimmung des steuerbaren Kapitals auf Stufe Kanton um CHF 268'000 erhöht.

Gewinnsteuern

Art. 65 DBG sieht vor, dass die Schuldzinsen, die auf das verdeckte Eigenkapital entfallen, dem ausgewiesenen Reingewinn hinzuzurechnen sind.

Vorliegend wird das Darlehen an die X AG vom Aktionär analog dem Bankdarlehen zu 2% und damit drittvergleichskonform verzinst. Da jedoch ein Teil des Aktionärsdarlehens steuerlich als verdecktes Eigenkapital zu verstehen ist, ist der zulässige Zins um CHF 5'360 (d.h. CHF 268'000 * 2%) zu kürzen und gewinnsteuerlich bei der X AG aufzurechnen.

Einkommenssteuern

Die Zinsen von CHF 5'360, die auf das verdeckte Eigenkapital entfallen, qualifizieren als verdeckte Gewinnausschüttung und unterliegen damit auf Stufe des Aktionärs als Beteiligungsertrag den Einkommenssteuern.

Solange der Aktionär als natürliche Person mit Wohnsitz in der Schweiz zu mehr als 10% an der Gesellschaft beteiligt ist, kommt dieser grundsätzlich in den Genuss des sog. Teilbesteuerungsverfahren (Bund: Besteuerung zu 70%; Kantone: Besteuerung zu 50% bis 70%, je nach Kanton). Damit ist die Einkommensteuerbelastung für den Aktionär alleine bei Annahme von verdeckten Eigenkapital und Umqualifikation von Zins- zu Beteiligungsertrag im Ergebnis tiefer. Zinsertrag wird nämlich zu 100% besteuert.

Verrechnungssteuer

Das KS-ESTV Nr. 6a sieht vor, dass die auf das verdeckte Eigenkapital entfallenden Schuldzinsen in analoger Weise wie bei der Einkommenssteuer auch für die Zwecke der Verrechnungssteuer als geldwerte Leistung qualifizieren.

Da der Aktionär mit Wohnsitz in der Schweiz die Zinsen bereits als Zinsertrag zu versteuern hat und entsprechend bereits in seiner Steuerdeklaration offengelegt hat, gewährt die ESTV vorliegend grundsätzlich die Anwendung des sog. Meldeverfahrens (d.h. keine Ablieferung der Verrechnungssteuer). Dieses muss mittels Formular 102 beantragt werden.

Kreisschreiben Nr. 6a der ESTV: Die wichtigsten Änderungen im Überblick

In Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen hat die ESTV im Jahre 1997 eine Verwaltungsanordnung erlassen, welches die Bestimmungen zur Ermittlung des verdeckten Eigenkapitals in der Schweiz ausdifferenzieren. Die Praxisanweisungen wurden erst kürzlich mit dem Kreisschreiben Nr. 6a per 10. Oktober 2024 überarbeitet.

Im Zuge der Revision wurde die Anwendung des Kreisschreibens auf die Verrechnungssteuer ausgeweitet, was in der Praxis bereits früher berücksichtigt wurde, nun jedoch ausdrücklich festgehalten ist. Dafür wurden die Abschnitte zur Kapitalsteuer sowie zum Verhältniskapital gestrichen, da diese auf Bundesebene aufgrund der Abschaffung der Bundeskapitalsteuer seit längerer Zeit ihre Bedeutung verloren haben. Ebenfalls gestrichen wurden die Ausführungen zur Verlustverrechnung, wonach verdecktes Eigenkapital dem Grund- und Stammkapital und nicht den Reserven gleichzusetzen sei.

Schliesslich wurde die bundesgerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt, indem festgehalten wurde, dass das verdeckte Eigenkapital nach Massgabe der Werte in der sog. Funktionalwährung zu ermitteln ist.