Die Abschaffung des Eigenmietwerts
Die Abschaffung des Eigenmietwerts – ein altes Thema ist plötzlich wieder in aller Munde. Seit Jahren beschäftigt diese Idee die steuerpolitische Diskussion ohne wirkliche Fortschritte erzielt zu haben. Die Chance, dass das Relikt aus dem 2. Weltkrieg abgeschafft wird, ist zum Greifen nah. Nachfolgend zeigen wir Ihnen die Entwicklung und Folgen dieser Systemänderung auf.
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Am 2. Februar 2017 wurde der politische Prozess in der aktuellen Abschaffungsdiskussion des Eigenmietwerts angestoßen: Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) reichte beim Stän-derat eine parlamentarische Initiative für einen entsprechenden Vorschlag ein. Am 14. Februar 2019 verab-schiedete dieselbe Kommission oppositionslos einen Vorentwurf mit dem Ziel, diesen im März 2019 in Vernehmlassung zu schicken.
Inhalt der parlamentarischen Initiative
Nach dem Wortlaut der Initiative strebt die Kommission einen generellen Systemwechsel bei der Besteuerung von Liegenschaftseigentümer/-innen an. Der Systemwechsel soll jedoch lediglich bei selbstgenutztem Wohneigentum am Hauptwohnsitz greifen. Zweitwohnungen sind vom Initiativtext nicht erfasst. Ziel der Vorlage ist eine möglichst haushaltsneutrale Änderung, so dass Divergenzen und Ungleichheiten zwischen Hauseigentümern/Hauseigentümerinnen und Mietern/Mieterinnen ausgeschlossen werden können sowie Wohneigentum gefördert wird. Zum Vorschlag der ständerätlichen WAK-S gab die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) am 14. August 2017 ihre Zustimmung und verneinte gleichzeitig die Unterstützung der Initiative Leutenegger Oberholzer, bei welcher unter Aufhebung des Eigenmietwerts zugleich die Abzugsfähigkeit jeglicher Schuldzinsen hinfällig würde.
Im Laufe des Jahres 2018 gab die WAK-S in diversen Medienmitteilungen die Aufnahme der Ausgestaltung der Vorlage bekannt. Dabei wurden die Eckpunkte der angestrebten Vorlage präsentiert und näher erläutert.
Wie oben erwähnt, bildet die Beschränkung der Aufhebung der Eigenmietwertbesteuerung auf selbstgenutztes Wohneigentum am Hauptwohnsitz ein wichtiger Eckpunkt der Vorlage. Alle Zweitwohnungen sind ausgenommen. Der Grund dafür ist, dass finanzschwache Bergregionen einen großen Anteil an Zweitwohnungen aufweisen und mit einer Aufhebung des Eigenmietwerts nicht zusätzlich finanziell belastet werden sollen. Ein Wegfall des Eigenmietwerts auch auf Zweitwohnungen auszudehnen würde für diese Gemeinden ein Wegfallen von erheblichem Steuersubstrat bedeuten.
Im August 2018 informierte die WAK-S schließlich über die Details der Systemänderung. Neben dem Wegfall des Eigenmietwerts auf der Einkommensseite wird die Abzugsfähigkeit der Liegenschaftsunterhaltskosten gestrichen. Angestrebt wird jedoch, Abzüge für denkmalpflegerische Arbeiten oder Umwelt- und Energiesparabzüge flexibel auszugestalten. Bei solchen Abzügen sollen die Kantone von ihrer Autonomie Gebrauch machen und sich für oder gegen eine solche Abzugsfähigkeit aussprechen können. Unumstritten scheint in der Vorlage folgende Änderung: Private Schuldzinsen bei selbstgenutztem Wohneigentum sollen, auch im Lichte der Reduktion der Privatverschuldung, nicht mehr abzugsfähig sein. Ganz im Sinne des Verfassungsziels der Förderung des Wohneigentums präsentiert sich schliesslich folgender Punkt der Vorlage: Für Ersterwerbende soll ein Anreiz zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum geschaffen werden. Das zielführende Mittel stellt nach Ansicht der Kommission ein zeitlich begrenzter Schuldzinsenabzug für Hypothekarzinsen dar.
Zur Illustration möchten wir die Abschaffung des Eigenmietwerts, wie dieser gegenwärtig diskutiert wird, im Rahmen eines konkreten Beispiels genauer betrachten:
Beispiel mit Schuldzinsen auf heutigem Zinsniveau
X ist Eigentümer einer Stockwerkeigentumswohnung im Kanton Y mit einem Steuerwert von Fr. 800‘000. Die Berechnung geht vorliegend von einem Eigenmietwert von 5 % des Steuerwerts aus. Für den Kauf der Wohnung war X zur Aufnahme eines Hypothekardarlehens gezwungen. Die Hypothekarschuld beträgt Fr. 400‘000 sowie die darauf lastenden Schuldzinsen 1.5 %. Der jährliche pauschale Unterhaltsbeitrag der Liegenschaft befindet sich bei 15 % des Eigenmietwerts.
Bisheriger Rechtslage mit Eigenmietwert:
Steuerwert: Fr. 800‘000
Eigenmietwert (5 % des Steuerwerts): Fr. 40‘000
Hypothekarschuld: Fr. 400‘000
Schuldzinsen (1.5 %): Fr. 6‘000
Liegenschaftsunterhalt (pauschal 15 %): Fr. 6‘000
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Total: Fr. 28‘000 zusätzliches Einkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen
Berechnungsweise: Eigenmietwert als zu versteuerndes Einkommen unter Abzug der Schuldzinsen sowie des pauschalen Liegenschaftsunterhalts.
Neuer Rechtslage ohne Eigenmietwert:
Steuerwert: Fr. 800‘000
Hypothekarschuld: Fr. 400‘000
Schuldzinsen (1.5 %): Fr. 6‘000
Liegenschaftsunterhalt (pauschal 15 %): Fr. 6‘000
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Der Abzug der Schuldzinsen und Liegenschaftskosten (insgesamt Fr. 12‘000) fällt hier weg. Dieser wird durch den Wegfall des Eigenmietwerts (Fr. 40‘000) mehr als kompensiert.
Vergleich zwischen bisheriger und neuer Rechtslage mit tiefem Zinsniveau:
Bisherige Rechtslage: Fr. 28‘000 (zusätzliches Nettoeinkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen)
Neue Rechtslage: kein zusätzliches Nettoeinkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen
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Differenz zugunsten der neuen Rechtslage: Fr. 28‘000 Reduktion des steuerbaren Einkommens durch Wegfall des Eigenmietwerts
Aus dieser Aufstellung wird folgendes sichtbar: X wurde zu seinem sonstigen Einkommen unter altem Recht ein fiktiver Betrag des Eigenmietwerts aufgerechnet. Unter Berücksichtigung des Abzugs von Schuldzinsen und Liegenschaftsunterhalt resultierte bei X einen zusätzlich zu versteuerndem Betrag von Fr. 28‘000. Unter Anwendung der neuen Rechtslage würde die Aufrechnung dieses Eigenmietwerts wegfallen. Im Gegenzug sind die Schuldzinsen und Liegenschaftsunterhalten nicht mehr abzugsfähig. Infolgedessen müsste Hauseigentümer X bei Annahme der Vorlage weniger versteuern. Andererseits bedeutet der Wegfall der Abzugsberechtigung der Schuldzinsen und der Liegenschaftsunterhaltskosten die Annäherung an die Situation der Mieterseite, welche ihre Wohnkosten steuerlich nicht abziehen kann.
Beispiel mit einem Zinsniveau von 8.5 %
X ist Eigentümerin einer Stockwerkeigentumswohnung im Kanton Y mit einem Steuerwert von Fr. 800‘000. Die Berechnung geht vorliegend von einem Eigenmietwert von 5 % des Steuerwerts aus. Für den Kauf der Wohnung war X zur Aufnahme eines Hypothekardarlehens gezwungen. Die Hypothekarschuld beträgt Fr. 400‘000 sowie die darauf lastenden Schuldzinsen 8.5 %. Der jährliche pauschale Unterhaltsbeitrag der Liegenschaft befindet sich bei 15 % des Eigenmietwerts.
Bisherige Rechtslage mit Eigenmietwert:
Steuerwert: Fr. 800‘000
Eigenmietwert (5 % des Steuerwerts): Fr. 40‘000
Hypothekarschuld: Fr. 400‘000
Schuldzinsen (8.5 %): Fr. 34‘000
Liegenschaftsunterhalt (pauschal 15 %): Fr. 6‘000
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Total: Fr. 0 zusätzliches Einkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen
Berechnungsweise: Eigenmietwert als zu versteuerndes Einkommen unter Abzug der Schuldzinsen sowie des pauschalen Liegenschaftsunterhalts.
Neue Rechtslage ohne Eigenmietwert:
Steuerwert: Fr. 800‘000
Hypothekarschuld: Fr. 400‘000
Schuldzinsen (8.5 %): Fr. 34‘000
Liegenschaftsunterhalt (pauschal 15 %): Fr. 6‘000
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Der Abzug der Schuldzinsen und Liegenschaftskosten fällt hier weg (insgesamt Fr. 40‘000).
Vergleich zwischen bisheriger und neuer Rechtslage mit hohem Zinsniveau:
Bisherige Rechtslage: kein zusätzliches Nettoeinkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen
Neue Rechtslage: kein zusätzliches Nettoeinkommen zum übrigen steuerbaren Einkommen
Anhand dieser Beispiele wird klar, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts unter gleichzeitiger Auflösung des Schuldzinsenabzugs sachlogisch ist. Wird ein Liegenschaftseigentümer/eine Liegenschaftseigentümerin nicht mehr mit dem Eigenmietwert belastet, so soll er/sie nicht zusätzlich noch Abzüge geltend machen können. Weiter ist denn auch offensichtlich, warum sich der Hauseigentümerverband (HEV) gerade jetzt zur Unterstützung der Initiative bekannt hat. Das Zinsniveau der Schweiz liegt seit geraumer Zeit auf historischem Tiefstand. Hauseigentümer/-innen profitieren von attraktiven Konditionen, Fremdkapital für ein Eigenheim zu beschaffen. Der Eigenmietwert führt damit zu einer spürbaren steuerlichen Mehrbelastung, welche künftig wegfallen würde. Gleichzeitig gehen die Hauseigentümer/-innen nicht einem großen Schuldzinsenabzug verlustig, da das Zinsniveau tief ist. Würden die Zinsen, analog des zweiten Beispiels, steigen, so muss zwar der Eigenmietwert nicht mehr zum Einkommen hinzugerechnet werden, jedoch würden die höheren Schuldzinsen dazu führen, dass das zu versteuernde Einkommen, trotz höheren Zinsen, nicht sinkt. Eine parallele Erhöhung der Liegenschaftskosten zu den höheren Schuldzinsen könnte diese Problematik zusätzlich verstärken.
Die durchgeführte Vernehmlassung im März 2019 rief natürlich auch Gegner des Vorschlags auf den Plan, sich über die Vorlage zu äussern. So liess die Konferenz der Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren der Kantone (FDK) Mitte Juni 2019 in einer Medienmitteilung verlauten, die vorgeschlagene Reform der Kommission des Ständerates sei nicht verfassungskonform. Moniert wurde vor allem die fehlende Einhaltung der Besteuerungsgrundsätze unter Beispielnahme des Verhältnisses der Mieter und Eigentümer sowie unterschiedlich finanz- und vermögensstarker Eigentümer. Auch eine Belastung der kantonalen Haushalte wäre Folge einer solchen Gesetzesänderung. Gleichzeitig sprechen sich die Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren für eine konsequentere Durchsetzung aus, im Falle der tatsächlichen Abschaffung des Eigenmietwerts. Eckpunkte sind dabei vor allem Folgende: Abzüge für Energiesparen, Umweltschutz und Denkmalpflege müssten nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf kantonaler Ebene aufgehoben werden, die Einführung des Ersterwerberabzugs sei nicht einzuführen sowie müsste die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen stärker eingeschränkt werden. Dabei sei, so mahnten die Vertreter der Kantone, das geltende Wohneigentumbesteuerungsrecht deutlich besser als die anbegehrte Vorlage.
Fazit
Unbestritten ist der Eigenmietwert ein steuersystematischer Fremdkörper, der bisher aus politischen Gründen (fast) nicht gestrichen werden konnte. Mit dem Vorschlag der WAK-S scheint das Ende des Eigenmietwerts zum Greifen nahe und es ist möglich, dass dieser politische «Ladenhüter» endlich «erledigt» werden kann. Dass die Lösung aber von den gegenwärtigen Rahmenbedingungen «profitiert» und die aktuelle Zinslage das Vorhaben unterstützt, zeigen die vorstehenden Beispiele. Das Thema sollte somit nicht zulange auf der politischen Brautschau bleiben, sonst nimmt der Widerstand gegen die Auflösung plötzlich (wieder) zu. Über die Entwicklungen halten wir Sie auf dem Laufenden.