Steueraufschub bei Liegenschaften
Beschwerdeführerin A. verkaufte am 1. April 2008 eine von ihr selbst bewohnte Liegenschaft im Kanton Bern mit einem Gewinn von CHF 5‘733‘539. Die Besteuerung wurde jedoch aufgrund eines Erwerbes einer selbstgenutzten Ersatzliegenschaft im Kanton Genf aufgeschoben. Sodann verkaufte sie auch diese Ersatzliegenschaft im Juni 2010 und erwarb infolge kein neues Objekt.
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Am 1. Februar 2012 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Bern Beschwerdeführerin A. für das Jahr 2010 mit einer Forderung aus Grundstückgewinn in der Höhe von CHF 1‘906‘682.70. Dagegen erhob A. zuerst Einsprache an die Steuerverwaltung des Kantons Bern, sodann Rekurs an die Steuerrekurskommission und schlussendlich Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht. Jegliche Rechtsmittel der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen. Aufgrund dessen führte A. mit Eingabe vom 20. Januar 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie keine Besteuerung durch den Kanton Bern. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 28. September 2017 (2C_70/2017) mit nachfolgender Begründung gut.
Zerlegungsmethode versus Einheitsmethode
Das Bundesgericht untersuchte zuerst die einschlägigen Regelungen des Steuerharmonisierungsgesetzes (Art. 12 Abs. 1 und 3 StHG). Art. 12 Abs. 3 StHG statuiert einen Steueraufschub bei Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegenschaft vor, sollte innert Frist der Erlös für eine ähnliche Liegenschaft aufgewendet wird.
Strittig war nun die Frage, ob der Kanton Bern als Wegzugskanton bei Aufschub des damaligen zu versteuernden Gewinnes für die Veranlagung zuständig ist, oder ob der Kanton Genf als Zuzugskanton für die Besteuerung kompetent ist. Die erste Variante wird als Zerlegungsmethode, die zweite als Einheitsmethode definiert.
Das Berner Verwaltungsgericht verwies in seinem Entscheid auf ein früheres Urteil (2C_337/2012) des Bundesgerichts. Darin hatte sich das Bundesgericht im Grundsatz für die Einheitsmethode ausgesprochen. Nach dieser Ansicht des Verwaltungsgerichtes dürfte im vorliegenden Fall der Kanton Genf als Zuzugskanton die Besteuerung des Grundstückgewinnes übernehmen. Offengelassen wurde aber die Frage nach sogenannten «reinvestitionsnahen Handänderungen». «Reinvestitionsnahe Handänderungen» liegen vor, wenn eine mit dem Grundstückgewinn erworbene Ersatzliegenschaft in kurzer Zeit wieder veräussert wird. Das Verwaltungsgericht verwies dabei auf die Schweizerische Steuerkonferenz SSK, welche eine Zeitspanne von 5 Jahren als Übergangsraum von der Zerlegungs- zur Einheitsmethode veranschlagen. Dabei sei bei Weiterveräusserung des Ersatzobjektes in einem anderen Kanton in den ersten 5 Jahren die Zerlegungsmethode anzuwenden. In casu bejahte das Verwaltungsgericht damit die Besteuerungs- und Veranlagungskompetenz der bernischen Steuerbehörde.
Die Beschwerdeführerin A. machte hingegen die Anwendung der Einheitsmethode geltend und verlangte eine Besteuerung durch die Genfer Behörden. Sie verwies in ihrer Argumentation ebenfalls auf das angesprochene Urteil des Bundesgerichts. Weiter statuierte die Beschwerdeführerin eine Uneinheitlichkeit bezüglich der jeweiligen kantonalen Praxis und die Nichtverbindlichkeit der Ratschläge der SSK. Gemäss Ansicht der Beschwerdeführerin bestehe ohnehin kein Anlass, «reinvestitionsnahe Handänderungen» anders zu behandeln. Der Gesetzgeber strebe mit dem Steuerharmonisierungsgesetz eine interkantonale Freizügigkeit an, was wiederum die Mobilität der Steuersubjekte erleichtert. Damit appellierte sie an die Grosszügigkeit der Kantone und den freiwilligen Verzicht auf eine Besteuerung. Ein weiteres Argument der Beschwerdeführerin stellte die, in casu, fehlende gesetzliche Grundlage einer Sperrfrist dar. Es sei zurzeit keine solche ersichtlich, noch bedarf es de lege ferenda einer solchen. Die gewöhnlichen Normen zur Steuerumgehung würden ein solches Risiko bereits verhindern. Auch im vorliegenden Fall seien keine Kriterien einer Steuerumgehung auszumachen. Bei der Anwendung der Einheitsmethode, so die Beschwerdeführerin, resultiere ein neutrales Ergebnis: Steuersubstrat von Wegzügern/Wegzügerinnen bei interkantonalen Ersatzbeschaffungen, welche den Kantonen verlustigt gehen, können dieselben durch Zuzüger/-innen mit latentem Steuersubstrat kompensieren. Damit sei erwiesen, dass der Kanton Genf alleine für die Besteuerung(Einheitsmethode) zuständig sein dürfe – ansonsten eine Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV vorläge.
Gleichbehandlung von Betriebs- und Wohnliegenschaften
Das Bundesgericht zog in seinen Erwägungen schliesslich denselben Entscheid (Urteil 2C_337/2012) bei. In besagtem Urteil war die Sachlage jedoch eine andere: Die interkantonale Ersatzbeschaffung betraf eine Betriebs- und nicht wie im vorliegenden Fall eine Wohnliegenschaft. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Zuzugskanton als besteuerndes Gemeinwesen zuständig ist. Bezogen auf den vorliegenden Fall, statuierte das Bundesgericht nun eine harmonisierungsrechtlich gewünschte Gleichbehandlung bei Betriebs- und Wohnliegenschaften.
Vorgehen «Modo legislatoris»
Weiter verwies das Bundesgericht auf BGE 143 II 233, in welchem der Begriff des dauernden und ausschliesslich selbstgenutzten Wohneigentums im Sinne von Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG ausgelegt wurde. Dabei kam es zum Schluss, dass der Gesetzgeber bezüglich der Mindesthaltedauer einer Liegenschaft ein qualifiziertes Schweigen im Sinne hatte. Ebenso wenig bestehe de lege lata eine Regelung bezüglich der interkantonalen Zuordnung von Besteuerungskompetenzen. Aus diesem Grund sehe sich das Bundesgericht «modo legislatoris» gezwungen, eine Doppelbesteuerungsregel aufzustellen. Dies tat das Bundesgericht wiederum mit einem Verweis auf BGE 143 II 233 und die fehlende Mindesthaltedauer aus Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG. Gemäss Bundesgericht seien daher kaum sachliche Gründe ersichtlich, welche eine teilweise Anwendung der Zerlegungsmethode auf reinvestitionsnahe Handänderungen während 5 Jahren rechtfertigen. Mit diesen Überlegungen wies das Bundesgericht das Besteuerungsrecht einzig dem Kanton Genf zu.
Fazit
Gefordert ist, nach Ansicht des Bundesgerichts, vielmehr eine einheitliche Rechtslage, womit auch bei reinvestitionsnahen Handänderungen lediglich die Einheitsregel zur Anwendung gelangen kann. Im vorliegenden Fall kann nur der Kanton Genf als Zuzugskanton die Besteuerung des aufgeschobenen Gewinns vornehmen – eine Besteuerung des Kantons Bern würde dem Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung im Sinne von Art. 127 Abs. 3 BV entgegenlaufen.