Vorzeitige Auflösung der Festhypothek
Beim Erwerb eines Eigenheims sind Hypotheken wichtige Finanzierungselemente. Dabei existieren unterschiedliche Hypothekarmodelle. Eines davon ist die Festhypothek mit einem festen Zinssatz für eine bestimmte Laufzeit. Mit der Festhypothek kann der Kreditnehmer sich vor steigenden Zinsen schützen, jedoch nicht von sinkenden Zinsen profitieren.
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Beabsichtigt der Kreditnehmer bei einer Festhypothek nichtsdestotrotz von tiefen Zinsen zu profitieren, muss der Kreditnehmer den Vertrag mit dem Finanzinstitut vorzeitig auflösen. Eine vorzeitige Auflösung der Festhypothek ist jedoch regelmässig mit der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung des Kreditnehmers an die Bank verbunden.
Bei Vorfälligkeitsentschädigungen handelt es sich um Entschädigungszahlungen für den Zinsausfall, den ein Gläubiger bei der vorzeitigen Auflösung der Hypothek aufgrund des zwischenzeitlich gesunkenen Zinsniveaus erleidet (vgl. z.B. Steuerbuch Luzern, Band 1, Weisungen Einkommenssteuer, § 40 Nr. 1).
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
a) 2017
Die steuerrechtliche Behandlung solcher Vorfälligkeitsentschädigungen war bis vor kurzem umstritten und wurde kantonal unterschiedlich gehandhabt. Diese haben im harmonisierten Steuerrecht keine explizite Erwähnung gefunden, weshalb das Bundesgericht im Jahr 2017 im Rahmen von zwei Leitentscheiden (BGE 143 II 382 und BGE 143 II 396) drei Fallkonstellationen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Vorfälligkeitsentschädigungen bei der Einkommenssteuer bzw. der Anrechnung dieser Kosten zu den Anlagekosten für die Zwecke der Grundstückgewinnsteuer aufgestellt hat (vgl. auch unseren Artikel aus dem Jahr 2017 «Abzüge bei vorzeitiger Auflösung der Hypothek»).
Die Fallkonstellationen können wie folgt zusammengefasst werden:
In den beiden Bundesgerichtsentscheiden aus dem Jahr 2017, bei welchen die drei Fallkonstellationen entwickelt wurden, waren die Streitgegenstände die Abzugsfähigkeit von Vorfälligkeitsentschädigungen, die unmittelbar vor einem Verkauf einer Liegenschaft fällig wurden. Dabei wurde vom bisherigen Schuldner - beim gleichen oder einem anderen Darlehensgeber - kein neues Schuldverhältnis eingegangen (Fallkonstellation 3). Die Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigungen wurden dabei einerseits unter dem Aspekt der Anlagekosten im Sinne einer wertvermehrenden Aufwendung bei der Grundstückgewinnsteuer (Art. 12 StHG) (BGE 143 II 382) und andererseits unter dem Gesichtspunkt des Schuldzinsenabzugs bei der Einkommenssteuer (BGE 143 II 396) beurteilt.
b) 2019
In einem neuen Urteil vom 16. Dezember 2019 (2C_1009/2019) war die Fallkonstellation 2 Streitgegenstand. Das Bundesgericht bestätigte im Rahmen dieses Entscheids die steuerliche Würdigung, welche das Gericht im Jahre 2017 obiter dictum als allgemeine Regelung aufgestellt hatte.
Danach qualifiziert eine Vorfälligkeitsentschädigung, die eine steuerpflichtige Person aufgrund dessen belastet wird, weil diese die bestehende Festhypothek kündigt und eine neue Hypothek mit einem anderen Finanzinstitut abschliesst, nicht als abzugsfähige Schuldzinsen bei der Einkommenssteuer.
Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
a) Verweigerung als Schuldzinsen beim Wechsel des Finanzinstituts
Weshalb die Rechtsprechung des Bundesgerichts für die steuerrechtliche Beurteilung differenziert, ob die Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen ist, wenn ein neues Hypothekargeschäft beim gleichen Finanzinstitut oder bei einem anderen Finanzinstitut abgeschlossen wird, ist unklar und vermag erneut nicht zu überzeugen.
Unabhängig davon, ob nach der vorzeitigen Auflösung der Festhypothek das Finanzinstitut gewechselt wird, wird die Vorfälligkeitsentschädigung gleichermassen berechnet (Rückzahlungsbetrag, Restlaufzeit und Differenz zwischen dem vertraglich festgelegten Hypothekarzins und den aktuellen Geld- und Kapitalmarktzins vgl. Haffner/Reichart, Die Vorfälligkeitsentschädigung im Hypothekargeschäft, S. 1402).
Bei den Fallkonstellationen 1 und 2 wird mit der Vorfälligkeitsentschädigung jeweils bezweckt, dass das bisherige Finanzinstitut nicht besser oder schlechter gestellt wird, als wenn das Darlehen bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit weitergelaufen wäre (BGer 4A_409/2011 vom 16.12.2011 E. 3.2.2). Die Vorfälligkeitsentschädigung ist mit anderen Worten nicht geschuldet, weil ein neuer Darlehensvertrag mit einem neuen Finanzinstitut eingegangen wird. Die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses ist in diesem Sinne auch stets an das ursprüngliche und nicht an das neue Finanzinstitut geschuldet. Bei beiden Fallkonstellationen ist der durch das Bundesgericht verlangte wirtschaftliche Konnex zwischen dem ursprünglichen Darlehensvertrag und der Vorfälligkeitsentschädigung gleichermassen gegeben.
Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich unseres Erachtens, die unter Fallkonstellation 2 erhobene Vorfälligkeitsentschädigung analog zur Fallkonstellation 1 als abzugsfähige Schuldzinsen zu akzeptieren.
b) Verweigerung beim Wechsel des Finanzinstituts als Anlagekosten
Der Umstand, dass sich die mit einem Wechsel des Finanzinstituts fällig gewordene Vorfälligkeitsentschädigung für die Zwecke der Einkommenssteuer nicht als steuerlich abziehbarer Schuldzins qualifiziert, bedeutet gemäss Bundesgericht nicht automatisch, dass diese für die Zwecke der Grundstückgewinnsteuer als Anlagekosten geltend gemacht werden können. Dies wäre nämlich gemäss den Leitentscheiden aus dem Jahre 2017 nur dann der Fall, wenn das Darlehensverhältnis nur darum gekündigt wird, damit der Verkauf einer unbelasteten Liegenschaft gewährleistet werden kann.
Eigentliches Steuerobjekt der Grundstückgewinnsteuer ist der Gewinn, der aus der Veräusserung eines Grundstückes realisiert wird. Der Gewinn wird dabei nach Art. 12 Abs. 1 StHG definiert als die Differenz zwischen dem Erlös und den Anlagekosten, wobei sich diese Anlagekosten aus dem Erwerbspreis oder dem Ersatzwert zuzüglich sog. wertvermehrenden Aufwendungen zusammensetzen.
Vom Bruttogewinn können zusätzlich gemäss Praxis der Kantone auch die mit dem Verkauf zusammenhängenden Gewinnungskosten abgezogen werden, wenn diese nicht von den Einkommenssteuern in Abzug gebracht werden können. Dies betrifft typischerweise Mäklerprovisionen.
Das Bundesgericht prüfte im Leitentscheid aus dem Jahr 2017 (BGE 143 II 382) die grundstückgewinnsteuerrelevante Qualifikation der Vorfälligkeitsentschädigung als abzugsfähige Anlagekosten i.S.v. Art. 12 Abs. 1 StHG. Gemäss Bundesgericht liegen abzugsfähige Anlagekosten dann vor, wenn einerseits eine effektive Wertvermehrung durch den Veräusserer gegeben ist und andererseits ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Veräusserung des massgeblichen Grundstücks vorhanden ist. Der Wegfall obligatorischer Rechte kann dabei ebenfalls eine Wertvermehrung des Grundstücks bewirken (BGE 143 II 382 E. 4.2.3, 4.4.2). Da im zu beurteilenden Fall (BGE 143 II 382) die Hypothek unmittelbar vor dem Verkauf aufgelöst und nicht durch eine neue Hypothek ersetzt wurde, waren gemäss Bundesgericht beide Voraussetzungen für die Qualifikation als Anlagekosten erfüllt.
Die vom Bundesgericht verlangte untrennbare Verbindung einer Auslage mit dem Erwerb bzw. mit der Veräusserung ist im Grundsatz unter dem Aspekt der Gewinnungskosten relevant. Damit werden in den Erwägungen des Bundesgerichts aber faktisch die Merkmale für «wertvermehrende Aufwendungen» und für die «Gewinnungskosten» vermengt, was die dogmatische Einordnung und Begründung des Bundesgerichts schwierig nachvollziehbar macht.
Nach unserer Ansicht kann der Wegfall obligatorischer Rechte wie einer Festhypothek tatsächlich zur Wertsteigerung des Grundstücks beitragen. Dies gilt aber auch dann, wenn diese nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verkauf wegfällt, sondern der Verkauf erst später und unabhängig vom Wegfall der obligatorischen Rechte erfolgt und die «günstigere» Hypothek bei einem späteren Verkauf noch weiterbesteht. Ein kausaler Zusammenhang zu einem unmittelbar bevorstehenden Verkauf ist, anders als bei Gewinnungskosten, für wertvermehrende Aufwendungen wie der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gerade nicht erforderlich.
Gesetzgeberische Freiheit der Kantone
Das Steuerobjekt der Grundstückgewinnsteuer ist der Gewinn, der aus der Veräusserung eines Grundstückes realisiert wird. Der Gewinn wird nur gerade definiert als die Differenz zwischen dem Erlös und den Anlagekosten, wobei sich diese Anlagekosten gemäss Art. 12 Abs. 1 StHG aus dem Erwerbspreis oder dem Ersatzwert zuzüglich Aufwendungen zusammensetzen. Weder über den Zeitpunkt dieser Realisation noch über die Ermittlung der Werte, welche zu diesem Steuerobjekt führen, äussert sich das Steuerharmonisierungsgesetz näher. Die Kantone sind bei der Bestimmung des Steuerobjekts entsprechend gemäss Lehre weitestgehend frei (Bernhard Zwahlen/Natalie Nyffenegger, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Art. 12 StHG N 43-44).
Praxisänderungen
Die Kantone Basel-Stadt (Steuerpraxis Kanton Basel-Stadt), Baselland (Steuerpraxis Kanton Baselland), Thurgau (Steuerpraxis Kanton Thurgau), Luzern (Steuerpraxis Kanton Luzern), Zug (Steuerpraxis Kanton Zug) und Zürich folgen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, womit Vorfälligkeitsentschädigungen nur noch als Schuldzinsen bei der Einkommenssteuer abzugsfähig sind, wenn die Hypothek durch eine neue Hypothek beim gleichen Kreditgeber ersetzt wird. Steht die Auflösung der Hypothek in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft, gilt die Vorfälligkeitsentschädigung als abzugsfähige Anlagekosten bei der Grundstückgewinnsteuer.
Der Kanton Bern erklärt die neue Praxis erst für die Steuerperiode 2020 als anwendbar. Bis und mit Steuerjahr 2019 lässt der Kanton Bern noch Vorfälligkeitsentschädigungen als abzugsfähige Schuldzinsen bei der Einkommenssteuer uneingeschränkt zu, sofern die Auflösung der Hypothek nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft steht (Steuerpraxis Kanton Bern).
Der Kanton St. Gallen erklärt die neue Praxis erst für die Steuerperiode 2021 als anwendbar. Bis und mit Steuerjahr 2020 lässt der Kanton St. Gallen noch Vorfälligkeitsentschädigungen als abzugsfähige Schuldzinsen bei der Einkommenssteuer uneingeschränkt zu, sofern die Auflösung der Hypothek nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft steht (St. Galler Steuerbuch StB 45 Nr. 5).
Fazit
Enthält das Gesetz - wie nach Ansicht des Bundesgerichts mit Bezug auf die Vorfälligkeitsentschädigungen - Lücken, können diese vom Bundesgericht ausgefüllt werden. Die vom Bundesgericht aufgestellten Regeln wurde bereits von einigen kantonalen Steuerverwaltungen in ihre publizierte Praxis übernommen. Die Schlüsse des Bundesgerichts hinsichtlich der differenzierten Behandlung der Vorfälligkeitsentschädigung für die Zwecke der Einkommenssteuer überzeugen aber nicht. Hinsichtlich der Anrechnung der Vorfälligkeitsentschädigung an die Anlagekosten besteht unseres Erachtens harmonisierungsrechtlich Raum, um eine Anrechnung unabhängig eines unmittelbaren Verkaufs zu zulassen. Aufgrund des klaren Verdikts des Bundesgerichts müsste diese Änderung jedoch über den kantonalen Gesetzgeber umgesetzt werden.