Rückstellungen für Ferienguthaben und Steuern

In der Praxis gibt es regelmässig Diskussionen darüber, welche Aufwendungen als Rückstellungen anerkannt werden, und somit steuerlich abziehbar sind. Ein aktuelles Bundesgerichtsurteil stellt die bisherige steuerliche Behandlung von Rückstellungen für Ferienguthaben in vielen Kantonen in Frage.

Rückstellungenhaben den Zweck, eine periodengerechte Erfassung jener Aufwendungen undVerluste zu gewährleisten, deren Eintreten zum Bilanzstichtag alswahrscheinlich oder sicher gilt, deren Höhe oder Zeitpunkt des Eintritts jedochnoch ungewiss sind. In der Praxis gibt es regelmässig Diskussionen darüber,welche Aufwendungen als Rückstellungen anerkannt werden, und somit steuerlichabziehbar sind. Ein aktuelles Bundesgerichtsurteil (9C_192/2024 vom 3. Juli2024) stellt die bisherige steuerliche Behandlung von Rückstellungen fürFerienguthaben in vielen Kantonen in Frage. Nachfolgend werden die Hintergründesowie die Auswirkungen dieses Urteils erläutert.

Ausgangslage

Die A. AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Genf, die Dienstleistungen im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung erbringt. Für die Steuerperiode 2021 meldete die Gesellschaft einen steuerbaren Reingewinn von CHF 78'123 im Kanton Genf sowie einen steuerbaren Reingewinn von CHF 153'216 in der Schweiz. In der zur Steuererklärung 2021 beigefügten Bilanz wies sie kurzfristige Rückstellungen in Höhe von CHF 2'044'982 aus, wovon CHF250'000 auf Rückstellungen für Ferienguthaben von Mitarbeitenden entfielen.

Die kantonale Steuerverwaltung Genf verweigerte der A. AG den steuerlichen Abzug der Rückstellungen für Ferienguthaben, mit der Begründung, dass es sich dabei um eine Rückstellung für zukünftige Aufwendungen handle, die hauptsächlich darauf abziele, den Reingewinn zu verringern und somit die effektive Steuerschuld zu senken.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragte die A. AG vor Bundesgericht schliesslich, dass die Rückstellung für Ferienguthaben in Einklang mit dem im Steuerrecht geltenden Massgeblichkeitsprinzip erfolgswirksam im Steuerjahr 2021 steuerlich anerkannt wird.

Erwägungen

Im Gegensatz zur Handhabung in diversen Kantonen der Deutschschweiz stellen Rückstellungen für Ferienguthaben nach Auffassung des Bundesgerichts keine rechtlich zulässigen Abzüge im Sinne von Art. 63 DBG dar. Gemäss der genannten Gesetzesbestimmung erfordert die Bildung einer Rückstellung, dass die betroffene Verpflichtung im laufenden Geschäftsjahr entstanden und handelsüblich nachvollziehbar ist. Im vorliegenden Fall verlangt das steuerpflichtige Unternehmen allerdings, dass Rückstellungen für vermeintlich in der Zukunft anstehende Ausgaben als abzugsfähig anerkannt werden. Dies verstösst gemäss Bundesgericht gegen den Grundsatz der Periodizität. Das Prinzip der Periodenabgrenzung sieht vor, dass Geschäftsvorfälle ausschliesslich derjenigen Rechnungsperiode zugeordnet werden, der sie wirtschaftlich angehören. Nur in engen Grenzen erlaubt die bundesgerichtliche Rechtsprechung, Rückstellungen zu Lasten der Erfolgsrechnung vorzunehmen, wenn diese klar mit dem betreffenden Geschäftsjahr in Verbindung gebracht werden können. Eine Verrechnung von Ergebnissen verschiedener Geschäftsjahre mittels Buchung ungerechtfertigter Rückstellungen kann hingegen als unangemessene Manipulation der Buchhaltung gewertet werden, die darauf abzielt, den steuerbaren Gewinn des laufenden Jahres künstlich zu senken. In diesem Fall führt dies zu einer Überbewertung der Schulden bzw. zur Bildung stiller Reserven in der Geschäftsperiode 2021, obschon die besagten Verpflichtungen erst in deren Fälligkeitsjahr, d.h. in der Zukunft, steuerlich zu berücksichtigen wären.

Dem Bundesgericht zufolge ist die Gesellschaft überdies nicht in der Lage, nachzuweisen, dass ein konkretes Risiko bestand, dass die nicht bezogenen Urlaubstage auch tatsächlich hätten ausgezahlt werden müssen. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass das Unternehmen im Jahr 2022 beabsichtigte, seine Geschäftstätigkeit einzustellen, was eine monetäre Abgeltung des Ferienanspruchs nach sich gezogen hätte. Auch die Behauptung, dass Mitarbeitend ein einem Jahr mehr Arbeit leisten und deshalb im darauffolgenden Jahr mehr Ferientage beziehen würden, stellt aus Sicht des Bundesgerichts keine rechtfertigende Begründung dar.

Schliesslich argumentiert das Bundesgericht, dass selbst wenn unter bestimmten Umständen eine Rückstellung nach Handelsrecht i.S.v. Art. 958c OR zulässig wäre, dies nicht automatisch auch die steuerliche Abzugsfähigkeit solcher noch nicht feststehenden, zukünftigen Kosten garantiert. Trotz des geltenden Massgeblichkeitsprinzips, nachdem die Handelsbilanz und der darin ausgewiesene Gewinn als Grundlage für die Berechnung des steuerbaren Ergebnisses dienen, seien bei Bedarf steuerliche Korrekturen zulässig. So sind die Steuerbehörden dazu berechtigt, jegliche Rückstellungen zu hinterfragen und aufzulösen, die als stille Reserven eine Gewinnminderung und eine damit einhergehende Verringerung der Steuerbelastung zum Ziel haben.

Fazit

Laut Bundesgericht kann eine Rückstellung für Ferienguthaben weder für die direkte Bundessteuer noch für die Kantons- und Gemeindesteuern geltend gemacht werden, da diese keine gegenwärtige Verpflichtung darstellt und gegen den Grundsatz der Periodizität verstösst. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde der A. AG deshalbabgewiesen und der entsprechende Betrag von CHF 250'000 zum steuerbaren Gewinn und Kapital aufgerechnet (= versteuerte stille Reserve).

Mit diesem aktuellen bundesgerichtlichen Entscheid wird das Massgeblichkeitsprinzip bedeutend geschwächt, da steuerliche Anpassungen selbst bei handelsrechtlich vertretbaren Rückstellungen zunehmend gutgeheissen werden. Momentan führt dies zu einer gewissen Rechtsunsicherheit betreffend handelsrechtliche Abgrenzungen für Ferienguthaben. Die Lehre kritisiert das Bundesgericht durchwegs für den Entscheid und lehnt diesen generell ab. Gemäss Lehre erfordert ein Nichtbezug von Ferien handelsrechtlich zwingend eine Rückstellung oder passive Rechnungsabgrenzung, die als geschäftsmässig begründeter und steuerwirksamer Aufwand zu verbuchen sei.

Ob das getroffene Urteil von allen Kantonen vollumfänglich übernommen wird bzw. wie die Praxis der Kantone sich diesbezüglich entwickelt, bleibt abzuwarten. Nach wie vor bleibt die Bildung von Rückstellungen für Überstunden bzw. nicht bezogene Ferien in einer Vielzahl von Kantonen gemäss publizierter Praxiszulässig, sofern diese im Gesamtumfang geschäftsmässig begründet sind und einem Drittvergleich standhalten (vgl. insb. Praxis in Luzern).