Steuerbarer Eigengebrauch (Eigenmietwert)

Für viele Grundeigentümer ist die steuerliche Handhabung des steuerbaren Eigengebrauch (besser bekannt als steuerbarer Eigenmietwert) eine lästige Angelegenheit und bildet Gegenstand von vielen öffentlichen Diskussionen und politischen Vorstössen. Der vorliegende Artikel geht nicht grundsätzlich auf das Thema ein, sondern beleuchtet Sonderfragen zur Besteuerung des Eigenmietwertes, welche immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Steuerbehörden führen.

Als Grundlage der Analyse dient das Urteil des BGer vom 8. April 2020 (2C_500/2018). In jenem Urteil geht es um die im Kanton Solothurn unbeschränkt steuerpflichtige A.A., welche in der betroffenen Steuerperiode 2015 unter anderem Eigentümerin einer Liegenschaft in Frankreich und einer Liegenschaft in Solothurn war. Die Liegenschaft im Kanton Solothurn wurde dabei von ihrem Sohn B.A. bewohnt.

Ausgehend von dieser Grundkonstellation wird im Folgenden in (1) darauf eingegangen, inwiefern die Liegenschaft zum Eigengebrauch zur Verfügung steht und in (2) wie bei ausländischen Liegenschaften der Eigenmietwert ermittelt wird. Abschliessend wird in (3) die Abgrenzung zwischen Mietzinseinnahmen und dem Eigenmietwert beleuchtet.

(1) Zum Eigengebrauch zur Verfügung stehen (E. 2.2-2.6)

Nach Art. 21 Abs. 1 Bst. b) DBG gilt als Ertrag aus unbeweglichen Vermögen der Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die kantonalen Steuern (vgl. Art. 7 Abs. 1 StHG). Dies ist wie folgt zu präzisieren:

Steuerrechtlich relevanter Eigengebrauch

Für den steuerrechtlich massgebenden Eigengebrauch ist nicht relevant, ob das Nutzungsrecht tatsächlich ausgeübt wird. Der entscheidende Punkt, welcher gemäss dem Gesetzeszweck den Eigenmietwert rechtfertigt, liegt darin, dass sich der Eigentümer der Liegenschaft das Nutzungsrecht zur jederzeitigen Benützung vorbehält. Anders ausgedrückt befinden sich alle ihm zur Verfügung stehenden Liegenschaften in seiner Eigennutzung und sind daher i.S.v. Art. 21 Abs. 1 Bst. b DBG massgebend. [1]  

Kein steuerrechtlich relevanter Eigengebrauch

Kein steuerrechtlich relevanter Eigengebrauch liegt hingegen vor, wenn aufgrund objektiver, äusserer Umstände die Liegenschaft nicht selbst bewohnt werden kann.

Dies trifft zum Beispiel dann zu, wenn das Objekt vermietet wurde, wobei aber zu beachten ist, dass bei einer unentgeltlichen Überlassung (siehe Gebrauchsleihe nach Art. 305 ff. OR) immer noch von einem «materiellen» und daher steuerrechtlich relevanten Eigengebrauch auszugehen ist. [2] Umgekehrt sind dann aber die Mieterträge steuerbar.

Gemäss Rechtsprechung liegt ausserdem kein steuerrechtlich relevanter Eigengebrauch vor, wenn das Haus aufgrund eines Mangels nicht bewohnt werden kann, wie z.B. bei fehlender Heizung (dabei ist jedoch zu beachten, dass gegebenenfalls von einem teilweisen Eigengebrauch, bspw. während den Sommermonaten, auszugehen ist [3]). Im Weiteren liegt gemäss Rechtsprechung ebenfalls kein steuerlich relevanter Eigengebrauch vor, wenn das Haus trotz ernsthaften Bemühungen und entsprechender Absicht nicht vermietet oder verkauft werden kann. [4] Dabei werden hohe Anforderungen gestellt und nur von der Besteuerung des Eigenmietwerts abgesehen, wenn die Verkaufs-/Vermietungsabsichten eindeutig, professionell umgesetzt und belegt wurden, sodass insoweit von einer konkretisierten Absicht gesprochen werden kann.

Beurteilung durch das Bundesgericht

Im vorliegenden Fall wurden von der Beschwerdeführerin A.A. ernsthafte Verkaufsbemühungen für ihre Liegenschaft in Frankreich geltend gemacht, was die Vorinstanz jedoch verneinte. Das Bundesgericht taxierte die Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht als willkürlich. Konkret wurden vom beauftragten Makler nur vereinzelte Besichtigungen für das Jahr 2017 nachgewiesen, wobei das Mandat schon längere Zeit vorher bestand und insb. für die im Streit stehende Veranlagungsperiode 2015 keine Nachweise für Verkaufsbemühungen erbracht wurden. Weiter gab der Makler implizit zu, dass der Verkaufspreis zu hoch angesetzt wurde. Insb. blieb auch eine Liegenschaftsschätzung aus, welche sich aufgrund des (wohl) vernachlässigten Unterhalts aufgedrängt hätte. Aufgrund dieser Umstände kann gemäss Bundesgericht nicht von einer konkretisierten Verkaufsabsicht ausgegangen werden.

(2) Ermittlung des Eigenmietwerts bei ausländischen Liegenschaften (E. 3)

Zudem behauptet A.A., dass der Vermögenssteuerwert und der Eigenmietwert der Liegenschaft in Frankreich tiefer sei, als durch die kantonale Steuerverwaltung Solothurn festgelegt.

Die Festsetzung des Eigenmietwertes erfolgt unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse und der tatsächlichen Nutzung der am Wohnsitz selbstbewohnten Liegenschaft (Art. 21 Abs. 2 DBG). Es handelt sich dabei um den Marktwert, d.h. um den Mietzins, der an vergleichbarer Lage für vergleichbare Mietobjekte zu erzielen wäre (§ 28 Abs. 1 StG/SO), wobei gewisse Abzüge möglich sind.

Die Ermittlung des Eigenmietwerts erfolgt in der Praxis nach kantonalen Schatzungsbestimmungen. D.h. es wird ein amtliches Verfahren von den kantonalen Behörden, in welchem das Grundstück liegt, durchgeführt.

Für im Ausland gelegene Grundstücke fehlt demgegenüber ein solches kantonales amtliches Verfahren. Aufgrund der räumlichen Distanzen und verschiedenen Jurisdiktionen wird in der Praxis mit Pauschalisierungen gearbeitet. Dabei gilt vielfach die einfach nachzuweisende Kenngrösse des Erwerbspreises als Ausgangspunkt.

Vorliegend machte die Beschwerdeführerin A.A. geltend, dass aufgrund des aktuellen realistischen Verkehrswerts und der Entwicklung des Euro-Kurses seit dem Erwerb der veranschlagte Katasterwert (viel) zu hoch sei. Wie oben bereits festgestellt, fehlte jedoch vorliegend eine aktuelle Liegenschaftsschätzung. Das Bundesgericht betont, dass es bei im Ausland gelegenen Grundstücken nicht Aufgabe der Steuerbehörden sein kann, von Amtes wegen relevante Preiseinbrüche in bestimmten Regionen zu ermitteln. Im Weiteren stellen Kursänderungen bei einem in ausländischer Währung bezahlten Kaufpreis nur einen Faktor bei der Bestimmung des Katasterwertes dar. Weitere Faktoren sind etwa Lage, Ausstattung und Zustand des Gebäudes. Abschliessend stellte das Bundesgericht fest, dass insgesamt keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit bestehen und bestätigt somit den vorinstanzlich veranlagten Eigenmietwert.

(3) Verhältnis Eigenmietwert und Mietzinseinnahmen (E. 4)

Ausserdem machte A.A. im Zusammenhang mit der Liegenschaft in Solothurn geltend, dass die betroffene Wohnung ausschliesslich ihrem Sohn B.A. zur Benutzung zur Verfügung stehe. Der vereinbarte Mietzins für das Jahr 2015 habe dieser jedoch nicht bezahlt, wobei A.A. von einer Bezahlung habe ausgehen dürfen und keine unentgeltliche Überlassung beabsichtigt gewesen sei. Vorliegend dürfe gemäss Ansicht von A.A. mangels Eigengebrauch weder der Eigenmietwert besteuert werden, noch sei die Besteuerung eines Mietzinses als Einkommen zulässig, da dieser nicht bezahlt worden sei.

Allgemein sind nach Art. 21 Abs. 1 DBG Erträge aus unbeweglichen Vermögen steuerbar. So sind nach Art. 21 Abs. 1 Bst. a) DBG Mietzinseinnahmen oder dergleichen und wie bereits erwähnt nach Art. 21 Abs. 1 Bst. b) DBG der Eigengebrauch steuerbar. Erzielte Erträge aus Fremdvermietung müssen angegeben werden. Für diese Liegenschaften entfällt gleichzeitig die Pflicht zur Deklaration des Eigenmietwerts. M.a.W. gilt damit in Bezug auf Liegenschaften der Grundsatz, dass bei Eigengebrauch der Eigenmietwert und bei Vermietung die Mietzinseinnahmen massgebend sind. [5] Dabei ist u.a. folgendes zu beachten:

  1. Im Steuerrecht gilt der Grundsatz der «Ist-Besteuerung». Daher obliegt die Gestaltung der eigenen finanziellen Verhältnisse der Privatautonomie und steht nicht unter dem Vorbehalt des betriebswirtschaftlich richtigen Verhaltens. Daraus folgt, dass Vorzugs- bzw. Verwandtenmietzinse grundsätzlich zulässig sind, womit es nicht zu einer (allfälligen) Aufrechnung auf den steuerlichen massgebenden Eigenmietwert nach Art. 21 Abs. 1 Bst. b) DBG kommt. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen eine Steuerumgehung der Eigenmietwertbesteuerung vorliegt, was nur bei einem bedeutenden Differenzbetrag gerechtfertigt ist. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass ein solcher Differenzbetrag vorliegt, wenn dieser weniger als die Hälfte des Eigenmietwertes beträgt. Der steuerpflichtigen Person steht diesfalls der Nachweis offen, dass entgegen der bestehenden Vermutung keine Steuerumgehung vorliegt. [6]
  2. Bei der Besteuerung eines Mietzinses kommt es nicht darauf an, wann die Mietzinsforderung bezahlt wurde. Entscheidend ist der Forderungserwerb. Eine Forderung gilt dann als erworben, wenn ein fester Rechtsanspruch darauf besteht, was grundsätzlich bei Fälligkeitseintritt der Fall ist. Ab diesem Zeitpunkt liegt ein steuerlich relevanter Einkommenszufluss vor. Ausnahmsweise wird von diesem Zeitpunkt abgewichen, wenn von einer Unsicherheit hinsichtlich der Forderungserfüllung ausgegangen werden muss, was jedoch von der steuerpflichtigen Person geltend gemacht werden muss.

Demnach führten im vorliegenden Fall gemäss Bundesgericht bereits der Abschluss des Mietvertrages und die monatlichen Fälligkeitstermine für die Mietzinse zu einem steuerlich relevanten Einkommenszufluss. Die Vorinstanz hat allerdings zugunsten der Beschwerdeführerin ein unentgeltliches Leihverhältnis angenommen und deshalb den tieferen Eigenmietwert veranschlagt. Rechtsprechungsgemäss wird von einer (unentgeltlichen) Gebrauchsleihe nach Art. 305 ff. OR ausgegangen, wenn der Wohnungseigentümer einem nahen Verwandten die Wohnung unentgeltlich überlässt. Auch wenn dem Eigentümer die Wohnung nicht mehr zur Verfügung steht, wird er steuerrechtlich immer noch als "Inhaber" der Wohnung betrachtet, weshalb der entsprechende Eigenmietwert beim Eigentümer besteuert wird. Vorliegend wäre an sich der vertraglich vereinbarte Mietzins als Einkommen in der Steuerperiode 2015 zu besteuern. Allerdings kann das Bundesgericht aufgrund des Verbots der reformatio in peius das vorinstanzliche Urteil nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin abändern. Es bleibt deshalb im vorliegenden Fall bei der Besteuerung des Eigenmietwertes der genannten Wohnung im Kanton Solothurn.

Weitere Hinweise zum Eigenmietwert

Der Eigenmietwert ist ein politisch höchst umstrittenes Thema und seit Jahren Gegenstand von steuerpolitischen Diskussionen. Im Moment wird im Ständerat die parlamentarische Initiative «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» (17.400) behandelt. Nach aktuellem Stand hat der Ständerat bis zur Herbstsession 2021 Zeit, eine Vorlage auszuarbeiten. Es ist wohl nicht auszuschliessen, dass es aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie zu einer (erneuten) Fristverlängerung kommt. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der parlamentarischen Initiative sehen Sie unser Blogbeitrag.

Endnoten

[1] vgl. Zwahlen/Lissi, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Komm. DBG, 3. Aufl. 2017, Art. 21 N 18.

[2] vgl. dazu BGE 146 II 97, E. 2.4.2, mit weiteren Hinweisen.

[3] vgl. dazu Zwahlen/Lissi, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Komm. DBG, 3. Aufl. 2017, Art. 21 N 24.

[4] Urteil des BGer 2C_500/2018 vom 8. April 2020 E. 2.3; Urteil des BGer 2C_1039/2015 vom 28. April 2016 E. 3.3, je mit weiteren Hinweisen.

[5] vgl. dazu Urteil des BGer 2C_475/2016 vom 30. November 2016, E. 2.1.

[6] vgl. dazu Urteil des BGer 2C_475/2016 vom 30. November 2016, E. 2.2; ausführlich BGE 146 II 97; ferner auch Zwahlen/Lissi, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Komm. DBG, 3. Aufl. 2017, Art. 21 N 9.