Vermögenssteuern und Start-Ups
Neben der Einkommenssteuer wird in der Schweiz auf Stufe Kanton und Gemeinde auch eine Steuer auf dem Vermögen der Steuerpflichtigen erhoben. Die Vermögenssteuer ist auf dem Wert des gesamten Vermögens am Ende der Steuerperiode (Stichtag) geschuldet. Der Bewertung der einzelnen Vermögenswerte auf den Stichtag kommt somit grosse Bedeutung zu. Was bei Bankkonti oder Bargeld ohne Probleme möglich ist, ist bei vielen anderen Vermögenswerten mit viel Unsicherheit und Ungenauigkeit verbunden.
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Das Steuerrecht hat deshalb für die Bewertung von einzelnen Werten Regeln erlassen, welche den Steuerpflichtigen ein gewisses Mass an Rechtssicherheit geben soll. Nachstehend beleuchten wir die Bestimmungen über die Ermittlung des Wertes bei einem Start-up Unternehmen, welche in den letzten Jahren immer wieder kritisiert und letztlich neu geregelt wurde.
Gemäss Art. 14 Abs. 1 StHG wird das Vermögen grundsätzlich zum Verkehrswert bewertet. Nach welchen Regeln der Verkehrswert zu ermitteln ist, schreibt das Steuerharmonisierungsgesetz jedoch nicht vor. Bei der Bewertung von «Unternehmen» ist heute unbestritten, dass der Wert von der Substanz (Substanzwert) und auch vom Ertrag (Ertragswert) beeinflusst wird. In welcher Form diese beiden Elemente bei der Verkehrswertberechnung mit einbezogen werden, ist aber nicht klar geregelt und Gegenstand von fachlichen Diskussionen. So ist auch im Steuerharmonisierungsgesetz nicht genau festgelegt, wie diese Werte in die Verkehrswertberechnung einzufliessen haben. In diesem Sinne ist der Einbezug des Ertragswertes als sog. «Kann-Vorschrift» ausgestaltet, welche sich über die Gewichtung des Ertragswertes nicht weiter äussert. Dadurch steht den Kantonen entsprechend ein grosser Ermessensspielraum zur Verfügung.
Bei Forderungs- und Beteiligungsrechten mit einem Börsenkurs gilt in der Regel dieser als Verkehrswert und ist damit massgebend für die Vermögenssteuern. Bei Vermögensgegenständen ohne Kurswert, z.B. bei Aktien an einer nicht-börsenkotierten Gesellschaft, fehlt es hingegen regelmässig an einem Verkehrswert. Der massgebliche Wert wird daher nach einer «tauglichen und anerkannten Methode» ermittelt. Gemäss KS SSK 28 wird dabei praxisgemäss auf die die sog. Praktiker-Methode abgestellt.
Regel: Praktiker-Methode
Der Unternehmenswert ergibt sich bei der Praktiker-Methode aus der Gewichtung von zwei Unternehmensgrössen, nämlich einerseits aus dem Ertragswert und andererseits aus dem Substanzwert.
Beim Ertragswert ist die Ertragskraft des Unternehmens entscheidend. Zur Berechnung des Ertragswertes werden künftige Gewinne des Unternehmens mit einem angemessenen Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag berücksichtigt. Die Schätzung der zukünftigen Gewinne (dem sog. nachhaltigen Betriebsgewinn) beruht dabei auf dem durchschnittlichen bereinigten Betriebsgewinn der vergangenen drei Geschäftsjahre (vgl. zum Ganzen Ertragswert).
Beim Substanzwert hingegen wird nur das Eigenkapital des Unternehmens berücksichtigt. Der Substanzwert setzt sich entsprechend aus den in der Bilanz aufgeführten Posten des Umlauf- und Anlagevermögens (inkl. allfälliger stiller Reserven) abzüglich dem Fremdkapital zusammen (vgl. zum Ganzen Substanzwert).
Bei der Praktiker-Methode ergibt sich der Unternehmenswert dann aus der zweimaligen Gewichtung des Ertragswerts und der einmaligen Gewichtung des Substanzwerts zu Fortführungswerten. Die Grundformel gemäss KS SSK 28 lautet damit wie folgt:
Ausnahme: Gesellschaften im Gründungsjahr und in der Aufbauphase (Start-Ups)
Die Praktiker-Methode ist aufgrund der generellen Empfehlung durch die schweizerische Steuerkonferenz in allen Kantonen für die Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für Vermögenssteuerzwecke im Grundsatz massgebend.
Das KS SSK 28 enthält unter der Randziffer 32 jedoch auch eine Sonderregel für Handels-, Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften im Gründungsjahr und in der Zeit der Aufbauphase.
Für solche Gesellschaften bemisst sich der Unternehmenswert in Abweichung zum Grundsatz nur nach dem Substanzwert. Das heisst, dass der Ertragswert, welcher typischerweise erheblich höher ist als der Substanzwert, vorerst unberücksichtigt bleibt. Sobald repräsentative Geschäftsergebnisse vorliegen, sind aber wieder die üblichen Bewertungsregeln anzuwenden, d.h. neben dem Substanzwert ist auch der Ertragswert mit zu berücksichtigen.
Das KS SSK 28 präzisiert in der neusten Fassung seit 3. November 2020 unter Randziffer 2 Abs. 5, dass bei solchen Gesellschaften auch Finanzierungsrunden bzw. Kapitalerhöhungen durch Drittinvestoren unberücksichtigt bleiben. Das bedeutet, dass eine Bewertung weiterhin nach den Sonderbestimmungen für Start-Up-Unternehmen erfolgen kann, auch wenn im Rahmen des Engagements von Investoren ein höherer Verkehrswert kalkuliert wurde bzw. resultiert. Das heisst, dass in diesem Fall nach wie vor eine Beurteilung/Bewertung nach dem Substanzwert erfolgt, solange sich die Gesellschaft tatsächlich in der Aufbauphase befindet und keine repräsentativen Geschäftsergebnisse vorliegen. Mit der neusten Ergänzung im KS SSK 28 wird damit die im Kanton Zürich seit dem Jahre 2016 bereits praktizierte vermögenssteuerliche Erleichterung für Inhaber von Start-Ups von der SSK übernommen und auf die ganze Schweiz ausgedehnt, was erfreulich ist.
Die Rechtsunsicherheiten, welche im Zusammenhang mit der Auslegung der Ausdrücke «Aufbauphase» oder «repräsentative Geschäftsergebnisse» einhergehen, werden im Kommentar zum KSSSK 28 jedoch leider nicht adressiert, womit den kantonalen Steuerbehörden weiterhin ein erheblicher einzelfallspezifischer Ermessensspielraum bei der vermögenssteuerlichen Bewertung von solchen Gesellschaften verbleibt.
Eine detaillierte Praxis diesbezüglich, hat soweit ersichtlich, keine kantonale Steuerverwaltung publiziert. Auch eine Rechtsprechung gibt es zu dieser Thematik nur spärlich. Eine Ausnahme ist z.B. ein erst kürzlich vom Verwaltungsgericht Schwyz gefällter Entscheid.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz betrachtete darin ein im Jahr 2014 gegründetes Dienstleistungsunternehmen aufgrund von namhaften Dividendenausschüttungen im Gründungsjahr als sich nicht in der Aufbauphase befindend, da dies für ein Start-Up Unternehmen atypisch sei. Hinzu kam der Umstand, dass der Alleinaktionär der Dienstleistungsgesellschaft bereits durch seine vorhergehende Tätigkeit das erforderliche Knowhow und Beziehungsfeld erarbeiten konnte, welche eine eigentliche Aufbauphase für seine neu gegründete Unternehmung hinfällig machten (VGE II 201941 E. 3.3.2 ff.). Entsprechend durfte der Wert der Gesellschaft gemäss dem Verwaltungsgericht Schwyz für die Zwecke der Vermögenssteuern von Beginn an nicht nur nach dem Substanzwert ermittelt werden.
Vorbehalt: Formelwert gemäss Mitarbeiterbeteiligungsplan
Vorbehalten bleiben praxisgemäss auch bei Start-Ups jene Fälle, bei welchen das Abstellen auf den Substanzwert zu einem widersprüchlichen Ergebnis führen würde. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn für Einkommenssteuerzwecke durch das Steueramt eine Bewertungsmethode festgelegt wird (z.B. Formelwert im Rahmen eines von den Steuerbehörden akzeptierten Mitarbeiterbeteiligungsplans).
In diesem Fall gilt diese Methode grundsätzlich auch für Vermögenssteuerzwecke. Dieses Vorgehen kann zwar auch bei vom Mitarbeiterbeteiligungsplan nicht partizipierenden Gründern zu einer höheren Vermögenssteuerlast führen, als wenn der Substanzwert angewendet würde, erscheint jedoch steuersystematisch richtig.
Fazit
Bei Handels-, Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften im Gründungsjahr und in der Zeit der Aufbauphase berechnet sich der Vermögenswert der Wertpapiere nur nach dem Substanzwert des Unternehmens, soweit keine repräsentativen Geschäftsergebnisse vorhanden sind. Dass bei solchen sog. Start-Ups neu auch Finanzierungsrunden bzw. Kapitalerhöhungen durch Drittinvestoren unberücksichtigt bleiben, ist aus vermögenssteuerlicher Sicht sehr erfreulich.
Da weiterhin unklar bleibt, was die jeweils zuständigen Steuerbehörden unter dem Begriff «Aufbauphase» bzw. «repräsentative Jahresergebnisse» verstehen, bleiben für die steuerpflichtigen Inhaber solcher Anteilsscheine bis zur definitiven Veranlagung nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich ihrer Vermögenssteuerlast. Entsprechend ist eine vorgängige Kontaktaufnahme mit der zuständigen Steuerbehörde unerlässlich.