Rechtsfolgen bei Verletzung der Safe Haven Zinssätze
Die Festlegung von Safe Haven Zinssätzen stellt für viele Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Steuerstreitigkeiten dar. In der Vergangenheit wurde davon ausgegangen, dass eine geldwerte Leistung nur dann vorliegt, wenn der in der Zinsperiode geschuldete Zins den Safe Haven Zinssatz gemäss dem einschlägigen Rundschreiben überschreitet. Der Zinssatz gemäss Rundschreiben konnte dabei auch dann als „Safe Haven“ gelten, wenn dieser nicht eingehalten wurde. Ein neuer Entscheid des Bundesgerichts (BGer vom 17. Juli 2024, 9C_690/2022, E. 6.2) stellt jedoch klar, dass diese Praxis nicht immer angewandt werden kann und hat damit weitreichende Konsequenzen, die wir in diesem Blogbeitrag anhand eines Praxisbeispiels erläutern möchten.
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Sachverhalt
Die A AG, eine Vertriebsgesellschaft der deutschen Z-Gruppe mit Konzernobergesellschaft Z AG im Konsumgüterbereich, finanziert ihre Expansion im Schweizer Markt durch ein Darlehen in Höhe von CHF 1 Million, das ihr von der Schwestergesellschaft B AG mit Sitz in Vaduz/FL gewährt wurde. Dieses Darlehen ist unbeschränkt und verzinst sich im Jahr 2024 zu 5%. Zusätzlich hat die A AG ein weiteres Darlehen in gleicher Höhe zu 3% jährlich von einer Schweizer Bank aufgenommen.
Das zuständige kantonale Steueramt beanstandet den Darlehenszins und rechnet der A AG die Differenz zwischen dem 3% und 5% Zins beim steuerbaren Gewinn auf. Dies führt zu einer geldwerten Leistung von CHF 20’000. Laut dem Rundschreiben der ESTV für 2024 wäre vorliegend ein Zinssatz von 3.75% anwendbar.
Fragen
- Welche unmittelbaren Steuerfolgen ergeben sich, wenn der Vorschlag des kantonalen Steueramts rechtskräftig wird?
- Wie ist die Aufrechnung des kantonalen Steueramts unter Bezugnahme der Safe Haven Zinssätze zu beurteilen?
Vorbemerkung
Nach der bisherigen Praxis der eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) liegt eine geldwerte Leistung nur in dem Umfang vor, indem der geschuldete Zins den maximal zulässigen Zinssatz gemäss Rundschreiben (3.75%) übersteigt, was im vorliegenden Fall 1.25% oder CHF 12’500 ausmacht. Das Bundesgericht hat jedoch für die Zwecke der Gewinnsteuern entschieden, dass der Safe Harbour Zinssatz nur dann bindend ist, wenn die steuerpflichtige Person sich an die darin definierten Zinssätze hält (Urteil 9C_690/2022 vom 17. Juli 2024). Insofern besteht für die A AG kein Anspruch auf eine Beschränkung der Aufrechnung auf die Differenz zwischen dem Safe Harbour Zinssatz von 3.75% und dem tatsächlichen Zins von 5%.
Gewinnsteuern
Die Aufrechnung wird als geldwerte Leistung von der A AG an die B AG qualifiziert und wird somit beim steuerbaren Gewinn der A AG berücksichtigt.
Verrechnungssteuer
Übersetzte Zinsen, die aufgrund von Verpflichtungen gegenüber Beteiligten gezahlt werden, gelten als geldwerte Leistungen (Dividende im Sinne des einschlägigen DBA) und unterliegen der Verrechnungssteuer von 35%. Im internationalen Schwesternverhältnis wird das Meldeverfahren jedoch praxisgemäss nicht angewendet. Aufgrund der Anwendung der Direktbegünstigungstheorie bei der Verrechnungssteuer findet der Nullsatz gemäss DBA mit Deutschland keine Anwendung. Vielmehr wird das DBA mit Liechtenstein angewendet, wobei, da die B AG nicht an der A AG beteiligt ist, der Residualsatz von 15% zur Anwendung kommt. Ob die ESTV das Urteil auch für die Zwecke der Verrechnungssteuer übernimmt, ist derzeit noch unklar.
Emissionsabgabe
Obwohl Liechtenstein emissionsabgaberechtlich als „Inland“ qualifiziert wird, wird aufgrund der Direktbegünstigungstheorie praxisgemäss keine Emissionsabgabe erhoben, da der Zuschuss nur gedanklich, jedoch nicht formell direkt von der Z AG kam.
Fazit
Das Fallbeispiel verdeutlicht, wie der neue Bundesgerichtsentscheid vom 17. Juli 2024 die steuerliche Behandlung von Darlehenszinsen und geldwerten Leistungen massgeblich beeinflussen kann. Wir unterstützen Sie gerne bei der Überprüfung Ihrer Darlehensverhältnisse, um sicherzustellen, dass diese den neuen rechtlichen Vorgaben entsprechen.